(Kiel) Ein nicht vorbestrafter Fahrer eines Kraftfahrzeugs, der bei einem vorsätzlich verkehrswidrigen Überholmanöver einen Verkehrsunfall verursacht, bei dem ein Verkehrsteilnehmer tödlich und drei weitere z.T. schwer verletzt werden, kann mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten zu bestrafen sein, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung auszusetzen ist.

Diese Entscheidung des Strafrichters des Amtsgerichts Ahaus, bestätigt durch die kleine Strafkammer des Landgerichts Münster, hatte auch im Revisionsverfahren vor dem 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm Bestand, so der Bad Nauheimer Fachanwalt für Verkehrsrecht Romanus Schlemm, Vizepräsident des VdVKA – Verband deutscher VerkehrsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Kiel, unter Hinweis auf die Mitteilung des OLG Hamm vom 6.04.2017 zu seinem rechtskräftigen Beschluss vom 23.03.2017 (4 RVs 33/17).

Der zur Tatzeit 37 Jahre alte Angeklagte aus Gelsenkirchen fuhr im Juni 2015 mit einem Lieferwagen IVEO Daily Pakete aus. Aus Richtung Ahaus-Wüllen kommend befuhr er die L 572 in Richtung Stadtlohn. Nach einem ersten verkehrswidrigen Überholvorgang, bei dem der Angeklagte eine Linksabbiegerspur und eine durchgezogene Linie mit überhöhter Geschwindigkeit überfuhr, näherte er sich dem rechtseitigen Einmündungsbereich der L 608. Aus der Einmündung bog ein PKW nach rechts in Richtung Stadtlohn auf die L 572 ein. Um hinter diesem Fahrzeug zu bleiben, hätte der Angeklagte seine Geschwindigkeit deutlich reduzieren müssen. Dies wollte er vermeiden, setzte zum Überholen des Fahrzeugs an und überfuhr hierbei eine Sperrfläche vor dem Einmündungsbereich sowie die für den Gegenverkehr vorgesehene Linksabbiegerspur auf der L 572. Diese befuhr ein dem Angeklagten entgegenkommender, mit zwei Insassen besetzter PKW Skoda, um nach links in die L 608 abzubiegen. Dem Skoda folgte ein ebenfalls mit zwei Insassen besetzter PKW Dacia Duster, der auf der L 572 weiter geradeaus in Richtung Ahaus fahren wollte. Der Angeklagte reduzierte seine Geschwindigkeit von noch ca. 75 bis 90 km/h nicht und fuhr fron-tal auf den Skoda zu, dessen Fahrerin den Zusammenstoß mit dem Lieferwagen trotz eines Ausweichmanövers nicht vermeiden konnte. Der hierdurch abgelenkte Lieferwagen kollidierte sodann mit dem Dacia. Dessen Fahrer erlitt bei dem Unfall tödliche Verletzungen, die weiteren Insassen des Dacia und des Skoda erlitten zum Teil schwere Verletzungen, unter anderem eine Augenverletzung, schwere Prellungen und Schnittwunden.

Wegen dieser Tat verurteilte der Strafrichter des Amtsgerichts Ahaus den zwar verkehrsordnungswidrigkeitenrechtlich, aber nicht strafrechtlich vorbelasteten Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung, fahrlässiger Körperverletzung in drei Fällen und vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zudem verlor der Angeklagte seine Fahrerlaubnis.

Im Berufungsverfahren vor dem Landgericht Münster bestätigte die zuständige kleine Strafkammer die Verurteilung und setzte die Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis auf gesetzlich zulässige Höchstfrist von 5 Jahren fest.

Im Rahmen der Strafzumessung wies die kleine Strafkammer zur Begründung der versagten Strafaussetzung zur Bewährung darauf hin, dass dem nicht vorbestraften Angeklagten zwar eine günstige Sozialprognose zu stellen sei. Nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Angeklagten lägen aber keine besonderen Umstände vor, die es ermöglichten, die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen. Vor dem Hintergrund des erheblichen Unrechts- und Schuldgehalts der Tat, der sich maßgeblich aus der rücksichtslosen und risikobereiten Fahrweise des Angeklagten mit den darauf zurückzuführenden schweren Tatfolgen ergebe, rechtfertigten die zu seinen Gunsten sprechenden Umstände, insbesondere seine bisherige Unbestraftheit, keine Bewährung. Zudem sei die Vollstreckung zur Verteidigung der Rechtsordnung geboten. Der Verkehrsverstoß weise neben den durch ihn verursachten schweren Folgen einen erheblichen Unrechtsgehalt auf und sei Ausdruck einer verbreiteten Einstellung, die die Geltung des Rechts nicht ernst nehme. Das Verhalten des Angeklagten vor und nach der Tat zeige, dass er sich ohne Bedenken über Verkehrsregeln und die Sicherheitsinteressen anderer Verkehrsteilnehmer hinweggesetzt habe.

Die gegen das Berufungsurteil vom Angeklagten eingelegte Revision hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm mit Beschluss vom 23.03.2017 als unbegründet verworfen. Die Überprüfung des Urteils ergab keinen Rechtsfehler zulasten des Angeklagten, so die Entscheidung des Senats.

Schlemm empfahl, die Entscheidung zu beachten und in derartigen Fällen rechtlichen Rat in Anspruch zu nehmen, wobei er dabei u. a. auch auf die Anwälte und Anwältinnen in dem VdVKA – Verband deutscher Verkehrsrechtsanwälte e. V. – www.vdvka.de – verwies.

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Romanus Schlemm
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Fachanwalt für Verkehrsrecht
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