(Stuttgart) Zur Klärung der Frage, ob die Anforderungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) an die Abberufung eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten im Einklang mit der europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) stehen, hat der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gerichtet.
Darauf verweist der Stuttgarter Fachanwalt für Arbeitsrecht Michael Henn, Präsident des VDAA – Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart unter Hinweis auf die Mitteilung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zu seinem Beschluss vom 27. April 2021 – 9 AZR 383/19 (A).
Der Kläger ist der von der Arbeit teilweise freigestellte Vorsitzende des bei der Beklagten gebildeten Betriebsrats. Mit Wirkung zum 1. Juni 2015 wurde er zusätzlich zum betrieblichen Datenschutzbeauftragten der Beklagten und – parallel dazu – drei weiterer Konzernunternehmen bestellt. Die Beklagte berief den Kläger (ebenso wie die drei weiteren Konzernunternehmen) mit Schreiben vom 1. Dezember 2017 und – nach Inkrafttreten der DSGVO – mit weiterem Schreiben vom 25. Mai 2018 als Datenschutzbeauftragten ab. Mit seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, seine Rechtsstellung als Datenschutzbeauftragter bestehe unverändert fort. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, es drohten Interessenkonflikte, wenn der Kläger zugleich Datenschutzbeauftragter und Betriebsratsvorsitzender sei. Dies führe zu einer Unvereinbarkeit beider Ämter, die einen wichtigen Grund zur Abberufung des Klägers darstelle.
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben.
Für die Entscheidung, ob die Beklagte den Kläger wirksam von seinem Amt als betrieblicher Datenschutzbeauftragter abberufen hat, kommt es auf die Auslegung von Unionsrecht an, die dem Gerichtshof der Europäischen Union vorbehalten ist. Das nationale Datenschutzrecht regelt in § 38 Abs. 2 iVm. § 6 Abs. 4 Satz 1 BDSG, dass für die Abberufung eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten ein wichtiger Grund iSv. § 626 BGB vorliegen muss. Damit knüpft es die Abberufung eines Datenschutzbeauftragten an strengere Voraussetzungen als das Unionsrecht, nach dessen Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO die Abberufung lediglich dann nicht gestattet ist, wenn sie wegen der Aufgabenerfüllung des Datenschutzbeauftragten vorgenommen wird. Einen wichtigen Grund zur Abberufung verlangt das europäische Recht nicht.
Der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts hält unter Zugrundelegung der bisherigen Rechtsprechung vorliegend keinen wichtigen Abberufungsgrund für gegeben. Deshalb hat er sich nach Art. 267 AEUV mit der Frage an den Gerichtshof gewandt, ob neben der Regelung in Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO mitgliedstaatliche Normen anwendbar sind, die – wie § 38 Abs. 2 iVm. § 6 Abs. 4 Satz 1 BDSG – die Möglichkeit der Abberufung eines Datenschutzbeauftragten gegenüber den unionsrechtlichen Regelungen einschränken.
Sollte der Gerichtshof die Anforderungen des BDSG an eine Abberufung für unionsrechtskonform erachten, hält der Senat es zudem für klärungsbedürftig, ob die Ämter des Betriebsratsvorsitzenden und des Datenschutzbeauftragten in einem Betrieb in Personalunion ausgeübt werden dürfen oder ob dies zu einem Interessenkonflikt iSv. Art. 38 Abs. 6 Satz 2 DSGVO führt.
Henn empfahl, die Entscheidung zu beachten und in Zweifelsfällen rechtlichen Rat einzuholen, wobei er u. a. dazu auch auf den VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. – www.vdaa.de – verwies.
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