(Kiel) Spannend und wirtschaftlich mit erheblichen, zum Teil existenzgefährdenden Auswirkungen verbunden, ist die alltägliche Frage am Bau dahingehend ob der Auftragnehmer seine vertraglich geschuldeten Leistungen einstellen kann/darf, weil – seiner Ansicht nach – Zahlungsverzug seitens des Auftraggebers vorliegt.

 

Die rechtliche Gesamtbeurteilung obliegt bekannter Maßen im Nachhinein den Gerichten. Allerdings lehrt die Erfahrung, so die die Frankfurter Rechtsanwältin und Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht Helene – Monika Filiz, Präsidentin des VBMI – VERBAND DEUTSCHER ANWÄLTE für Bau-, Miet- und Immobilienrecht e. V. mit Sitz in Kiel unter Hinweis auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG Stuttgart vom 28.04.2020 – 10 U 294/19 -, dass Gerichte das Eine oder das Andere anders entscheiden, als man dies im „Eifer der persönlichen und rechtlichen Auseinandersetzungen“ vor Ort am Bau beurteilen mag.

In diesem Fall hat sich das OLG Stuttgart mit den Voraussetzungen der auftragnehmerseitigen Einstellung von Bauarbeiten in einer sehr lesenswerten – weil detailreichen – Entscheidung auseinandergesetzt.

Die Klägerin hat die Beklagte begehrt aus einem gekündigten VOB/B-Bauvertrag Vergütung und Herausgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft. Weiterhin sind sich die Parteien im Hinblick auf die Eintragungsvoraussetzungen einer Sicherungshypothek uneinig.

Die Klägerin hat ihre werkvertraglich geschuldeten Arbeiten im Hinblick auf den – ihrerseits angenommenen Zahlungsverzug seitens des Auftraggebers – eingestellt. Allerdings hatte die Aufraggeberin erforderliche Statikberechnungen, die zur Ausführung des Bauvorhabens erforderlich waren, nicht vorgelegt. Dieser Umstand ist, angesichts des nicht vorliegenden Zahlungsverzuges der Auftraggeberin allerdings, unbeachtlich, wie des OLG Stuttgart mit der Entscheidung vom28.04.2020 erkannte.

Das OLG Stuttgart entschied wie folgt:

1. Die Einstellung der Arbeiten ist der Extremfall der unzureichenden Ausstattung einer Baustelle mit Arbeitskräften. § 5 Abs. 3 VOB/B begründet auf das Verlangen des Auftraggebers eine Pflicht des Auftragnehmers zur Abhilfe des unzureichenden Baustelleneinsatzes. Kommt der Auftragnehmer dieser Verpflichtung trotz berechtigten Abhilfeverlangens nicht nach, gerät der Auftragnehmer mit der Abhilfepflicht in Verzug.
2. Unter den weiteren Voraussetzungen des § 5 Abs. 4 VOB/B führt die unberechtigte Arbeitseinstellung des Auftragnehmers zu einem Kündigungsrecht nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B.
3. Zwar steht grundsätzlich eine notwendige, aber fehlende Mitwirkung des Auftragnehmers (Hier: Übergabe einer Statik Berechnung) einem Verzug des Auftragnehmers entgegen. Das gilt jedoch dann nicht, wenn der Auftragnehmer seine Leistung von der Erfüllung nicht bestehender Gegenrechte abhängig macht (unberechtigte Forderung auf Abschlagszahlung) und deshalb unabhängig von der Mitwirkung des Auftraggebers seine Leistung verweigert.
4. Haben die Parteien eines Bauvertrages neben einem Zahlungsplan, der sich allein an Daten orientiert, einen Bauzeitenplan vereinbart, ist der Bauzeitenplan im Zweifel Geschäftsgrundlage des Zahlungsplans. Dann haben die Parteien keine Zahlungen unabhängig vom Baufortschritt, sondern Abschlagszahlungen vereinbart, die sich nach den vereinbarten Fälligkeitszeitpunkten und dem zu diesen Zeitpunkten nach dem Bauzeitenplan erwarteten Baufortschritt richten.
5. Ein Leistungsverweigerungsrecht oder Kündigungsrecht des Auftragnehmers wegen fehlender Bauhandwerkersicherung nach § 648 a Abs. 5 S. 1 BGB a.F. steht dem bereits eingeteten Verzug mit der Abhilfepflicht nach § 5 Abs. 3 VOB/B durch die Arbeitseinstellung des Auftragnehmers und einem daraus entstehenden Kündigungsrecht des Auftraggebers entgegen, wenn der Auftragnehmer seine eigene Leistung Zug um Zug gegen das Bewirken der Bauhandwerkersicherung anbietet.
6. Der Verzug des Auftragnehmers und damit das Kündigungsrecht des Auftraggebers besteht fort, wenn der Auftragnehmer die Fertigstellung der Werkleistung neben der Erfüllung seines Anspruchs auf Bauhandwerkersicherung von der Zahlung weiterer, vertraglich nicht geschuldeter Abschläge abhängig macht.

Filiz empfahl, dies zu beachten und bei Fragen zum Baurecht auf jeden Fall Rechtsrat einzuholen, wobei sie in diesem Zusammenhang u. a. auch auf den VBMI – VERBAND DEUTSCHER ANWÄLTE für Bau-, Miet- und Immobilienrecht e. V. – www.VBMI-Anwaltsverband.de – verwies.

Für Rückfragen steht Ihnen zur Verfügung:

Helene – Monika Filiz
Rechtsanwältin / Fachanwältin für Familienrecht / Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht
Präsidentin des VBMI – VERBAND DEUTSCHER ANWÄLTE für Bau-, Miet- und Immobilienrecht e. V.

Bürogemeinschaft mit
Freiling & Partner Rechtsanwälte
Paul-Ehrlich-Straße 27
60596 Frankfurt am Main
Telefon: +49 (0)69 9686 1460 40
Telefax: +49 (0)69 9686 1460 99
Email RA-Filiz@web.de