(Kiel) Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass dem Käufer eines Pkw VW mit Dieselmotor, der mit einer Prüfstanderkennungssoftware ausgestattet ist, gegen den Fahrzeughersteller ein sogenannter kleiner Schadensersatzanspruch (Anspruch auf Ersatz des „Minderwerts“) zustehen kann.
Darauf verweist der Moerser Fachanwalt für Straf- und Verkehrsrecht Bertil Jakobson, Leiter des Fachausschusses „Unfallregulierung“ des VdVKA – Verband deutscher VerkehrsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Kiel unter Hinweis auf die Mitteilung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 12.08.2021 zu seinem Urteil vom 6. Juli 2021 – VI ZR 40/20.
- Sachverhalt
Die Klägerin erwarb im Juli 2015 von einem Autohaus einen gebrauchten VW Passat Variant, der mit einem 2,0-Liter Dieselmotor des Typs EA189, Schadstoffnorm Euro 5 ausgestattet ist. Die Beklagte ist Herstellerin des Wagens. Der Motor war mit einer Software versehen, die erkennt, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand im Testbetrieb befindet, und in diesem Fall in einen Stickoxid-optimierten Modus schaltet. Es ergaben sich dadurch auf dem Prüfstand geringere Stickoxid-Emissionswerte als im normalen Fahrbetrieb. Die Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm wurden nur auf dem Prüfstand eingehalten. Im Jahr 2015 ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt gegenüber der Beklagten den Rückruf der mit dieser Software ausgestatteten Fahrzeuge an. Die Beklagte entwickelte in der Folge ein Software-Update, das vom Kraftfahrt-Bundesamt freigegeben und auch im Fahrzeug der Klägerin aufgespielt wurde.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zum Ersatz des Minderwerts des Fahrzeugs zu verurteilen und die Verpflichtung der Beklagten festzustellen, ihr die weiteren über den Minderwert hinausgehenden Schäden zu ersetzen, die aus der Manipulation des Fahrzeugs resultieren würden.
- Bisheriger Prozessverlauf
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht im Wege des Grundurteils den Anspruch auf Ersatz des Minderwerts für gerechtfertigt erklärt. Die Berufung gegen die Abweisung der Feststellungsklage hat es zurückgewiesen.
- Entscheidung des Senats:
Die Revision der Beklagten, mit der diese die vollständige Klageabweisung begehrte, blieb ohne Erfolg, ebenso die Revision der Klägerin, mit der diese ihren Feststellungsantrag weiterverfolgte.
Die Beklagte ist der Klägerin gegenüber dem Grunde nach zum Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verpflichtet (vgl. Senatsurteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, Pressemitteilung Nr. 63/2020). Die Klägerin könnte deshalb, wie sich aus dem genannten Senatsurteil ergibt, Erstattung des Kaufpreises abzüglich der Nutzungsvorteile auf der Grundlage der gefahrenen Kilometer Zug um Zug gegen Übertragung des Fahrzeugs verlangen (sogenannter großer Schadensersatz). Die Klägerin kann aber stattdessen das Fahrzeug behalten und von der Beklagten den Betrag ersetzt verlangen, um den sie das Fahrzeug – gemessen an dem objektiven Wert von Leistung und Gegenleistung – zu teuer erworben hat (sogenannter kleiner Schadensersatz). Für die Bemessung dieses kleinen Schadensersatzes ist zunächst der Vergleich der Werte von Leistung (Fahrzeug) und Gegenleistung (Kaufpreis) im Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblich. Sollte allerdings das Software-Update der Beklagten, das gerade der Beseitigung der unzulässigen Prüfstanderkennungssoftware diente, das Fahrzeug aufgewertet haben, ist dies im Rahmen der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen. Dabei sind in die Bewertung des Vorteils etwaige mit dem Software-Update verbundene Nachteile einzubeziehen. Ob und in welchem Umfang eine Differenz zwischen dem objektiven Wert des Fahrzeugs und dem Kaufpreis im Zeitpunkt des Kaufs bestand und ob und inwieweit sich durch das Software-Update diese Wertdifferenz reduziert hat, wird im nunmehr folgenden Betragsverfahren festzustellen sein.
In den so zu bemessenden Schaden (Minderwert) sind Nachteile, die mit der Prüfstanderkennungssoftware oder dem Software-Update (als etwaiger Vorteil) verbunden sind, bereits „eingepreist“. Für die von der Klägerin gewünschte Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für diesbezügliche weitere Schäden ist daher kein Raum.
Jakobson riet, dies zu beachten und in allen Zweifelsfällen unbedingt rechtlichen Rat in Anspruch zu nehmen, wobei er dabei u. a. auch auf den VdVKA – Verband deutscher Verkehrsrechtsanwälte e. V. – www.vdvka.de – verwies.
Für Rückfragen steht Ihnen zur Verfügung:
Bertil Jakobson
Rechtsanwalt /
Fachanwalt für Verkehrsrecht /
Fachanwalt für Strafrecht
Mitglied des VdVKA – Verband Deutscher VerkehrsrechtsAnwälte e. V., sowie
Vizepräsident des DSV Deutscher Strafverteidiger Verband e. V.
www.kanzlei-jakobson.de
info@kanzlei-jakobson.de
Tel. 02841/9980188
Fax 02841/9980189
Zechenstraße 62
47443 Moers