(Kiel) Der für das Versicherungsvertragsrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Beteiligung des Versicherungsnehmers an Überschüssen und an Bewertungsreserven (sog. stille Reserven) in einer Lebensversicherung entschieden.
Darauf verweist der Hamburger Rechtsanwalt Matthias W. Kroll, LL.M., Leiter des Fachausschusses „Finanzdienstleistungs- und Versicherungsrecht“ der DASV Deutschen Anwalt- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V. mit Sitz in Kiel, unter Hinweis auf die Mitteilung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 11.02.2015 zu seinem Urteil vom selben Tage, Az.: IV ZR 213/14.
Der Kläger unterhielt bei der Beklagten eine kapitalbildende Lebensversicherung. Nach Vertragsablauf 2008 rechnete die Beklagte den Vertrag ab und zahlte dem Kläger 28.025,81 € aus, wovon auf die garantierte Überschussbeteiligung 9.123,81 € entfallen. Ferner gab sie an, dass in dieser ein Schlussüberschuss von 1.581,60 € sowie die auf den Vertrag entfallende Bewertungsreserve von 678,21 € enthalten seien. Die Bewertungsreserve setze sich aus einem Sockelbetrag von 656,88 € sowie einem volatilen Anteil von 21,33 € zusammen.
Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe ein Anspruch auf Zahlung weiterer 656,88 € zu. Die Beklagte habe den Anteil an der Bewertungsreserve unzulässigerweise mit seinem Anspruch auf die Schlussüberschussbeteiligung verrechnet; richtigerweise stehe ihm die Zahlung der Bewertungsreserve zusätzlich zu dem Schlussüberschussanteil zu. Der Kläger verlangt Zahlung dieser 656,88 €. Hilfsweise begehrt er im Wege der Stufenklage Feststellung der Unbilligkeit der von der Beklagten vorgenommenen Berechnung der Überschussbeteiligung, deren gerichtliche Neufestsetzung und sodann Auszahlung des sich hieraus ergebenden Betrages, weiter hilfsweise die Verurteilung der Beklagten, ihm Auskunft über die mathematische Berechnung seines Anteils der Beteiligung an Überschuss und Bewertungsreserven zu erteilen und anschließend Zahlung des sich aus dieser Auskunft ergebenden Betrages. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben.
Der Bundesgerichtshof hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Ein weiterer Zahlungsanspruch steht dem Kläger nicht zu, da die Beklagte ihn mit den geleisteten Zahlungen korrekt an den Bewertungsreserven beteiligt hat.
Gem. § 153 Abs. 1 VVG steht dem Versicherungsnehmer grundsätzlich eine Beteiligung an dem Überschuss und an den Bewertungsreserven (Überschussbeteiligung) zu. Die Bewertungsreserve ist nach § 153 Abs. 3 Satz 1 VVG durch den Versicherer jährlich neu zu ermitteln und nach einem verursachungsorientierten Verfahren rechnerisch zuzuordnen. In diesem Zusammenhang ist zwischen der Berechnung und der Zuteilung der Bewertungsreserve einerseits sowie deren Auszahlung andererseits zu differenzieren. Bewertungsreserven sind zunächst rein rechnerische Posten, die sich aus der Differenz zwischen dem Buchwert und dem Zeitwert von Kapitalanlagen ergeben. Eine hiervon zu trennende Frage ist, wie die an den einzelnen Versicherungsnehmer auszuzahlende Bewertungsreserve vom Versicherer finanziert wird. Hierzu regelt das Versicherungsaufsichtsrecht, dass die für die Überschussbeteiligung der Versicherten bestimmten Beträge, soweit sie den Versicherten nicht unmittelbar zugeteilt wurden, in eine Rückstellung für Beitragsrückerstattung einzustellen sind. Die der Rückstellung für Beitragsrückerstattung zugewiesenen Beträge dürfen nur für die Überschussbeteiligung der Versicherten einschließlich der durch § 153 VVG vorgeschriebenen Beteiligung an den Bewertungsreserven verwendet werden. Da es sich mithin um eine Finanzierung der gesamten Überschussbeteiligung i.S. von § 153 Abs. 1 VVG handelt, die sowohl die Beteiligung an dem Überschuss (im engeren Sinne) als auch an den Bewertungsreserven umfasst, hat ein höherer Anteil der Bewertungsreserven bei den Rückstellungen für Beitragsrückerstattung zugleich ein Absinken des Schlussüberschusses zur Folge. Dieses Berechnungsverfahren hat die Beklagte eingehalten, so dass der Zahlungsantrag unbegründet ist.
Ohne Erfolg bleibt ferner der erste Hilfsantrag des Klägers. Die Regelung des § 315 BGB setzt eine ausdrückliche oder konkludente rechtsgeschäftliche Vereinbarung voraus, dass eine Partei durch einseitige Willenserklärung den Inhalt einer Vertragsleistung nach billigem Ermessen bestimmen kann. Daran fehlt es hier. Vielmehr haben die Parteien objektive Maßstäbe vereinbart, die es ermöglichen, die vertraglichen Leistungspflichten zu bestimmen. Auch § 153 VVG sieht ein derartiges Ermessen nicht vor.
Ebenfalls unbegründet ist der zweite Hilfsantrag. Zwar trifft den Schuldner nach Treu und Glauben ausnahmsweise eine Auskunftspflicht, wenn der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann. Ob und inwieweit dem Kläger auf dieser Grundlage ein Auskunftsanspruch gegen die Beklagte zustehen oder ob diese sich ganz oder teilweise auf ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse berufen könnte, kann offen bleiben. Auskunft kann nur verlangt werden, wenn und soweit vom Bestehen eines Zahlungsanspruchs ausgegangen werden kann, zu dessen Durchsetzung die Auskunft dienen soll. Daran fehlt es hier, weil der Kläger die Berechnung der Höhe der Bewertungsreserve durch die Beklagte als solche nicht angreift, sondern – allerdings zu Unrecht – die Verrechnung der ermittelten Bewertungsreserve mit dem Schlussüberschussanteil.
Kroll riet, dies zu beachten und in allen Zweifelsfragen Rechtsrat einzuholen, wobei er dazu u. a. auch auf die entsprechend spezialisierten Anwälte und Anwältinnen in der DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V . – www.mittelstands-anwaelte.de – verwies.
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Matthias W. Kroll, LL.M.
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Fachanwalt für Arbeitsrecht/Fachanwalt für Versicherungsrecht
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