(Kiel) Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat soeben entschieden, dass eine Kostenausgleichsvereinbarung zwischen Lebensversicherung und Kunde im „Nettopolicenmodell“ nichtig ist.
Darauf verweist der Hamburger Rechtsanwalt Matthias W. Kroll, LL.M., Leiter des Fachausschusses „Finanzdienstleistungs- und Versicherungsrecht“ der DASV Deutschen Anwalt- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V. mit Sitz in Kiel, unter Hinweis auf die Mitteilung des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe vom 25.10.2013 zu seinem Urteil vom 19.09.2013, Az. 12 U 85/13.
Die Parteien streiten darüber, ob der Versicherer von seinem Kunden nach Kündigung des Lebensversicherungsvertrages noch die vollständigen Abschluss- und Einrichtungskosten verlangen kann.
Die Beklagte beantragte bei der Klägerin, einem in Liechtenstein ansässigen Lebensversicherer, im September 2011 eine fondsgebundene Rentenversicherung sowie, in einem gesonderten Vordruck, den Abschluss einer „Kostenausgleichsvereinbarung“. Für die Versicherung war die Zahlung eines monatlichen Beitrags von 200,00 Euro vorgesehen und im Versicherungsantrag weiter geregelt, dass in den ersten 60 Monaten der Versicherungsbeitrag um die monatliche Teilzahlung der Abschluss- und Einrichtungskosten reduziert werde. Der Antrag auf Kostenausgleichsvereinbarung sah vor, dass die Abschluss- und Einrichtungskosten von zusammen 6.720,00 Euro in monatlichen Teilzahlungen erbracht werden. Er enthielt den Hinweis, dass dem Antragsteller bekannt sei, dass er die Kostenausgleichsvereinbarung nicht kündigen könne und die Auflösung des Versicherungsvertrages grundsätzlich nicht zur Beendigung der Kostenausgleichsvereinbarung führe, sondern die Kosten auch im Falle einer Kündigung zu bezahlen seien.
Die Beklagte bezahlte bis Ende April 2012 die vereinbarten Raten, dann widerrief sie, erklärte die Anfechtung der Verträge wegen arglistiger Täuschung und kündigte sie mit sofortiger Wirkung. Die Klägerin hat die nach ihrer Auffassung noch offenen rund 5.200 EUR eingeklagt. Die Beklagte macht unter anderem geltend, sie habe die Kostenausgleichsvereinbarung wirksam widerrufen. Im Übrigen sei diese nichtig, da ein Umgehungsgeschäft zu § 169 Abs. 5 Satz 2 VVG gegeben sei.
Das Landgericht Karlsruhe hat der Klage stattgegeben, die Kostenausgleichsvereinbarung sei nicht nichtig und verstoße auch nicht gegen die Regelung über allgemeine Geschäftsbedingungen. Auf die Berufung der Beklagten hat der unter anderem für das Versicherungsrecht zuständige 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Der Abschluss der Kostenausgleichsvereinbarung verstoße jedenfalls in der hier gewählten Ausgestaltung des „Nettopolicenmodells“, in dem die „Kostenausgleichsvereinbarung“ nicht mit einem Versicherungsmakler oder -vermittler, sondern unmittelbar mit dem Versicherer geschlossen werde, durch Umgehung gegen ein gesetzliches Verbot und sei daher nichtig. Eine Gesetzesumgehung liege vor, wenn die Gestaltung eines Rechtsgeschäfts objektiv den Zweck habe, den Eintritt einer Rechtsfolge zu verhindern, die das Gesetz für derartige Geschäfte vorsehe, eine Umgehungsabsicht nicht erforderlich ist. § 169 Abs. 5 Satz 2 VVG verbiete dem Versicherer einen Stornoabzug für noch nicht getilgte Abschluss- und Vertriebskosten bei Kündigung. Damit solle verhindert werden, dass die Kündigung des Versicherungsvertrages durch eine Art Vertragsstrafe erschwert werde und der Versicherungsnehmer faktisch von einer Kündigung abgehalten werde, weil er einen Stornoabzug für Abschluss- und Vermittlungskosten hinnehmen müsse, ohne dafür eine Gegenleistung in Form der Fortführung des Versicherungsvertrages zu erhalten. Dieser Effekt würde aber bei der hier gewählten Gestaltung eintreten. So werde dem Versicherungsnehmer durch die „Kostenausgleichsvereinbarung“ bei näherer Überlegung zwar bewusst, dass ihm ein erheblicher Teil seiner Beiträge wirtschaftlich nicht zu Gute komme, sondern der Gegenwert von knapp drei Beitragsjahren auf „Abschluss- und Einrichtungskosten“ bezahlt werde. Wenn wie hier von den gleichmäßig zu zahlenden Beiträgen von monatlich 200,00 Euro monatlich 112,00 Euro auf die „Abschluss- und Einrichtungskosten“ verrechnet würden, bewirke dies aber, dass die Beitragszahlung für den Versicherungsnehmer wirtschaftlich genauso ablaufe wie bei einer sonst üblichen Bruttopolice. Bei dieser würde aber das Verbot des Stornoabzugs gelten. Dann könne das Verbot aber auch nicht außer Acht bleiben, wenn der Versicherer zwar Versicherungsvertrag und „Kostenausgleichsvereinbarung“ formal trenne, sie wirtschaftlich aber durch eine Verrechnung eines Teils des Beitrags zur Versicherung auf die Kostenausgleichsvereinbarung wieder zusammenfasse.
Im Übrigen wären diejenigen Klauseln, die den Versicherungsnehmer zur Fortzahlung der Leistungen auf die „Kostenausgleichsvereinbarung“ auch nach einer Kündigung der Versicherung verpflichteten, als allgemeine Geschäftsbedingungen wegen Intransparenz unwirksam. Intransparenz liege schon in der Gestaltung der Vertragsunterlagen. Zwar sei in den Bedingungen offengelegt, dass die „Abschluss- und Einrichtungskosten“ separat über eine Kostenausgleichsvereinbarung abgegolten werden sollten und es heiße, dass die Kostenausgleichsvereinbarung nicht gekündigt werden könne. Durch die übrige Gestaltung des Vertragsverhältnisses werde aber der Eindruck erweckt, dass die Verträge miteinander stehen und fallen würden. Das ergebe sich vor allem aus dem Umstand, dass die Zahlungen zu beiden Verträgen nicht gesondert verlangt würden, sondern ein durchgehend einheitlicher gemeinsamer Betrag vereinbart worden sei, der dann teilweise auf die Abschluss- und Einrichtungskosten verrechnet werden solle. Die Klausel stelle sich auch als überraschend dar. Ein Verbraucher, der einen Versicherungsvertrag abschließen wolle und dafür einen Makler hinzuziehe, werde in Betracht ziehen, dass der Makler für seine Tätigkeit eine Vergütung erwarte, und damit rechnen, dass er die für die Beratung auch dann zahlen müsse, wenn er den Vertrag nicht bis zum Ende durchführe. Im Verhältnis zum Versicherer stelle sich die Situation jedoch anders dar. Der Versicherungsvermittler biete gerade keine unabhängige Beratungsleistung an, der Versicherungsinteressent werde in der Regel nicht damit rechnen, dass er die Aufwendungen, die der Versicherer für den Verkauf seiner Produkte mache, auch dann noch mit laufenden monatlichen Beträgen mitfinanziere müsse, wenn er den verkauften Versicherungsvertrag bereits aufgegeben habe. Über die Berechtigung der Anfechtungs- und Widerrufserklärungen der Beklagten musste vor dem Hintergrund dieser rechtlichen Beurteilung nicht entschieden werden. Der Senat hat die Revision zugelassen.
Kroll riet, dies zu beachten und in allen Zweifelsfragen Rechtsrat einzuholen, wobei er dazu u. a. auch auf die entsprechend spezialisierten Anwälte und Anwältinnen in der DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. – www.mittelstands-anwaelte.de – verwies.
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