Meinungsäußerungsfreiheit gilt zwar auch im Arbeitsverhältnis, aber nicht grenzenlos

(Stuttgart) Die Meinungsfreiheit ist in Deutschland ein hohes Gut und rechtlich geschützt. Äußerungen eines Beschäftigten sind daher grundsätzlich dessen Privatsache. Auch wenn der Arbeitgeber diese nicht gutheißen mag, gibt es rechtliche Handhabe nur dann, wenn die Äußerungen in das Arbeitsverhältnis ausstrahlen. Dies kann etwa der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer im Betrieb im Gespräch mit Kollegen das Existenzrecht des Staates Israel abstreitet oder in einem Profil in den sozialen Medien unter Angabe seines Arbeitgebers den Hamas-Terror gegen Israel gutheißt.

Eine Einschätzung der aktuellen Entscheidung gibt der Hamburger Fachanwalt für Arbeitsrecht Prof. Dr. Michael Fuhlrott vom Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e.V. (VDAA). 

„Vom Fluss bis zum Meer, Palästina wird frei sein“: Freistellung eines Profifußballers

Dürfen Arbeitgeber auf ihre Mitarbeiter einwirken, wenn diese Äußerungen tätigen, die mit der Sichtweise des Arbeitgebers nicht übereinstimmen? Welche Äußerungen sind noch erlaubt, ab wann wird es kritisch?

In den Medien wurde unlängst der Fall eines Profifußballers diskutiert, der in den sozialen Netzwerken die Aussage „Vom Fluss bis zum Meer, Palästina wird frei sein“ tätigte und dafür von seinem Verein auf unbestimmte Zeit freigestellt wurde. Die Begründung: Mit der Aussage sei dem Staat Israel das Existenzrecht abgesprochen worden und fehle es auch nach einem Gespräch mit dem Fußballer an Einsicht und einer Verhaltensänderung.

Außerdienstliches Verhalten im Grundsatz Privatsache

„Die Terrorangriffe der Hamas auf den Staat Israel dürften einen Angriffskrieg darstellen. Wer eine solche Handlung öffentlich billigt, macht sich nach deutschem Recht strafbar“, erläutert Arbeitsrechtler Prof. Dr. Michael Fuhlrott. Gleiches könne im aktuellen Zusammenhang für Äußerungen in Betracht kommen, die dem Staat Israel das Existenzrecht absprächen. In solchen Fällen könne ein Strafverfahren drohen, so der Arbeitsrechtler.

Diese Wertung sei aber für das Arbeitsverhältnis zunächst nicht von Relevanz: „Wie sich der Arbeitnehmer in der Freizeit verhält, ist grundsätzlich seine Sache“, erläutert Prof. Dr. Michael Fuhlrott. „Selbst Straftaten in der Freizeit des Arbeitnehmers bleiben arbeitsrechtlich regelmäßig ohne Konsequenz. Ein außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers kann nur dann Folgen haben, wenn es auf das Arbeitsverhältnis ausstrahlt oder ein Bezug zum Arbeitgeber hergestellt wird“, so Fuhlrott weiter. Wer in seiner Freizeit an entsprechenden Demonstrationen teilnehme, handele als Privatperson. Einen Bezug zum Arbeitsverhältnis gebe es dann nicht.

Arbeitsrechtliche Konsequenzen bei Bezug zum Betrieb

„Wenn der Arbeitnehmer aber in seiner Dienstuniform auf einer solchen Veranstaltung teilnimmt und entsprechende Aussagen von sich gibt, wird ein betrieblicher Bezug hergestellt. In diesem Fall strahlt die Handlung auf das Arbeitsverhältnis aus. „Der Arbeitgeber kann dann arbeitsrechtlich mit Abmahnung oder Kündigung reagieren“, so Arbeitsrechtler Fuhlrott. Gleiches gelte, wenn die Äußerung in sozialen Netzwerken verbreitet werde, aber im Profil etwa der Name des Unternehmens genannt werde: „Kein Unternehmen muss dulden, dass sich Beschäftigte rassistisch äußern und dies durch die Nennung des Arbeitgebers auch auf diesen zurückfallen kann“, so der Fachanwalt für Arbeitsrecht.

Gleiches gelte für Äußerungen in der Betriebskantine oder auf dem Büroflur: „Wer im Betrieb die Terrorangriffe der Hamas gegenüber Kollegen gutheißt, riskiert ebenfalls seinen Arbeitsplatz.“

Entscheidung des Einzelfalls

„Maßgeblich ist in solchen Fällen aber immer der jeweilige Einzelfall: Von einem Arbeitnehmer, der eine besondere Außenwirkung hat wie etwa ein Fußballprofi, ist ein höheres Maß an Zurückhaltung zu verlangen als von einem gewerblichen Mitarbeiter“, so Arbeitsrechtler Fuhlrott. „Gerade Profisportler stellen ein Aushängeschild ihres Vereins dar. Ihre Handlungen stehen unter besonderer Beobachtung der Öffentlichkeit“.

Kritische Anmerkungen oder das Hinterfragen bestimmter Sichtweisen sei hingegen auch Beschäftigten immer erlaubt: „Die Meinungsäußerungsfreiheit endet natürlich nicht am Werkstor. Auch als Arbeitnehmer darf ich sachliche Kritik äußern“, so der Arbeitsrechtler. Dies gelte insbesondere dann, wenn eine Situation wie der durch die Hamas-Anschläge aktuell  eskalierende Nahost-Konflikt eine besondere historische Komplexität aufweise. Kritik am Vorgehen des israelischen Militärs sei daher nach Ansicht des Hamburger Arbeitsrechtler eine zulässige Meinungsäußerung eines Arbeitnehmers, die Billigung von Straftaten oder das Feiern von Raketenangriffen auf Zivilisten hingegen nicht.

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