(Kiel) Fast unbemerkt hat es bereits Anfang Januar 2012 erhebliche Änderungen im Vereinssteuerrecht gegeben, die alle gemeinnützigen Vereine betreffen. Durch Schreiben vom 17.01.2012 hat das Bundesministerium den Anwendungserlass zur Abgabenordnung in vielen Punkten insbesondere die Vorschriften zum Gemeinnützigkeitsrecht überarbeitet.

Darauf verweist der Frankfurter Rechtsanwalt und vereidigter Buchprüfer Werner G. Elb, Mitglied in der DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. mit Sitz in Kiel, dessen Kanzlei auf Vereinsrecht und Vereinssteuerrecht spezialisiert ist.

Für viele gemeinnützige Vereine dürften dabei folgende Änderungen von Bedeutung sein:

• Steuerpflichtiger wirtschaftlicher Gewerbebetrieb

Bisher war ein steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb eines gemeinnützigen Vereins nur zulässig, wenn er bei einer Gesamtbetrachtung nicht dem Verein das Gepräge gibt (Geprägetheorie). Dabei wurde von der Finanzverwaltung im Wesentlichen geprüft, ob der Verein mit dem Einsatz der Ressourcen (Zeit- und Personalaufwand) überwiegend im wirtschaftlichen oder im steuerbegünstigten Bereich tätig war. Daneben konnte auch das Verhältnis der Einnahmen von steuerbegünstigten Bereichen und steuerpflichtigen wirtschaftlichen Gewerbebetrieb berücksichtigt werden. Waren die Ressourcen und ggf. die Einnahmen überwiegend dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnen, gaben sie dem Verein das Gepräge und die Anerkennung der Gemeinnützigkeit des Vereins war zu widerrufen. Zukünftig soll eine Vermögensverwaltung oder ein steuerpflichtiger, wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb einer Steuerbegünstigung des Vereines nicht entgegen stehen, wenn die Vermögensverwaltung oder der steuerpflichtige, wirtschaftliche Geschäftsbetrieb um des steuerbegünstigten Zwecks willen erfolgen, z.B. weil sie der Beschaffung von Mitteln zur Erfüllung der steuerbegünstigten Aufgabe dienen. Dienen Vermögensverwaltung und steuerpflichtiger Geschäftsbetrieb der Finanzierung der steuerbegünstigten Tätigkeit, sind diese selbst dann nicht mehr für die Gemeinnützigkeit schädigend, wenn der steuerbegünstigte Zweck ausschließlich durch solche Mittel finanziert wird. Nur wenn Vermögensverwaltung oder steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb nicht mehr dem steuerbegünstigten Zweck untergeordnet ist, sondern ein davon losgelöster Zweck oder gar Hauptzweck des Vereins wird, ist die Steuerbegünstigung des Vereines nicht mehr zulässig.

Im Prinzip wird nunmehr die Prüfung der Zulässigkeit eines steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes von der Frage, ob der Geschäftsbetrieb dem Verein das Gepräge gibt, verschoben auf die Frage der Mittelverwendung. Folgerichtig wird diese Prüfung im neuen Anwendungserlass nicht mehr bei dem Paragrafen zur Selbstlosigkeit des Vereins (§ 55 AO – Selbstlosigkeit), sondern bei der Frage der ausschließlichen Verfolgung der satzungsgemäßen Zielen durch den Verein (§ 56 AO – Ausschließlichkeit) angesiedelt. Die aus dem Geschäftsbetrieb erwirtschafteten Einnahmen sind ausschließlich für die gemeinnützigen Zwecke des Vereins zu benutzen. Daran ist positiv, dass nun nicht mehr die Verteilung der Ressourcen zwischen steuerpflichtigem Gewerbebetrieb und den ideellen Bereich des Vereins geprüft wird. Auf der anderen Seite ist nunmehr die Prüfung der Vermögensverwaltung in einem Verein mit der Prüfung des steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs gleichgestellt worden, was dazu führen kann, dass zukünftig die Vermögensverwaltung von Vereinen stärker geprüft wird.

• Verwirklichung gemeinnütziger Zwecke im Ausland

Verwirklicht ein Verein oder eine andere Körperschaft ihre förderungswürdigen Zwecke außerhalb von Deutschland, konnte er/sie auch bisher bei einen so genannten Inlandsbezug als gemeinnützig anerkannt werden. Dieser kann vorliegen, wenn natürliche Personen, die ihren Wohnsitz und ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland (Deutschland) haben, im Ausland gefördert werden oder wenn die Tätigkeit der Körperschaft neben der Verwirklichung der steuerbegünstigten Zwecke auch zur Besserung des Ansehens Deutschlands im Ausland beitragen können. Durch die Neuregelung des Anwendungserlasses wird hierzu klargestellt: Für in Deutschland ansässige Körperschaften ist diese Verbesserung des Ansehens Deutschlands bereits dann erfüllt, wenn sie sich an der Förderung gemeinnütziger oder mildtätiger Zwecke im Ausland beteiligen. Darüber hinausgehenden spürbaren und messbaren Auswirkungen auf das Ansehen Deutschlands bedarf es nicht. Ausländische Körperschaften können bei einem Inlandsbezug (wie oben beschrieben) auch anerkannt werden, müssen dann allerdings die durch ihre Tätigkeit entstandene Verbesserung des Ansehens Deutschlands ausdrücklich nachweisen.

• Tätigkeitsvergütungen von Vorstandsmitgliedern

Für Vorstandsmitglieder von gemeinnützigen Vereinen sind Tätigkeitsvergütungen nur noch zulässig, wenn eine entsprechende Satzungsregelung besteht. Dies wurde bereits in früheren BMF-Schreiben ausgeführt. Tatsächlich ist es aber über mehrere BMF-Schreiben zu einer doch erheblichen Verschärfung bei der Frage der Tätigkeitsvergütungen gekommen, die nunmehr auch in den Anwendungserlass aufgenommen worden ist. Ursprünglich waren Tätigkeitsvergütungen von Vorstandsmitgliedern nämlich nur gemeinnützigkeitsschädigend, wenn für den Vorstand in der Vereinssatzung ausdrücklich ausgeführt worden ist, dass diese Tätigkeit nur ehrenamtlich ausgeübt werden darf. Dies hat zu Schwierigkeiten bei der so genannten Ehrenamtspauschale geführt. Nun soll eine Ehrenamtspauschale oder eine andere ehrenamtliche Tätigkeitsvergütung nur noch zulässig sein, wenn dies ausdrücklich in der Satzung eingeräumt worden ist.

• Mehrere steuerbegünstigte Zwecke möglich

Eine Körperschaft kann auch mehrere steuerbegünstigte Zwecke neben einander verfolgen. Allerdings müssen alle Ziele in der Satzung genannt sein.

• Neuregelung bei Hilfspersonen

Aufgrund des Grundsatzes der Unmittelbarkeit muss eine steuerbegünstigte Körperschaft ihre steuerbegünstigten Zwecke selbst erfüllen. Sie darf sich zwar dabei Hilfspersonen von außerhalb des Vereins bedienen, diese mussten auch bereits bisher aber überwacht werden. Neu ist, dass die Körperschaft nunmehr durch Vorlage entsprechender Vereinbarungen auch nachweisen muss, dass sie Inhalt und Umfang der Tätigkeit der Hilfspersonen im Innenverhältnis bestimmen kann.

• Weitergabe von Mitteln an andere steuerbegünstigte Körperschaften

Nunmehr wird festgehalten, dass die teilweise, d.h. nicht überwiegende Weitergabe eigener Mittel einer steuerbegünstigten Körperschaft an andere inländische steuerbegünstigte Körperschaften, juristischen Personen des öffentlichen Rechts und in § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG aufgeführte Körperschaften zulässig ist. Daher können bis 50 Prozent der verfügbaren Mittel an andere als gemeinnützig anerkannte Körperschaften weitergegeben werden Dies ist auch der Fall, wenn diese andere gemeinnützige Zwecke als die die Mittel vergebende Körperschaft verfolgen.

• Neue Wiederbeschaffungsrücklage

Mit der Änderung des Anwendungserlasses wird nunmehr die Bildung einer Wiederbeschaffungsrücklage für die Wiederbeschaffung von Gebäuden, Fahrzeugen oder andere Wirtschaftsgüter, für deren Anschaffung die laufenden Einnahmen nicht ausreichen, ermöglicht. Diese ist in der Regel in der Höhe der Abschreibung zu bilden. Dies ist allerdings nur erlaubt, wenn tatsächlich die Neuanschaffung geplant und in angemessenem Zeitraum möglich ist. Auch soll von der Höhe der Abschreibungen auch abgewichen werden können. Der neue Änderungserlass zur Abgabenordnung geht ausdrücklich davon aus, dass eine Wiederbeschaffungsrücklage in Höhe der Abschreibung nicht ausreichend ist, wenn das vorhandene Wirtschaftsgut frühzeitig oder durch ein besseres oder größeres oder teureres Wirtschaftsgut ersetzt werden soll. Andererseits kann eine Wiederbeschaffungsrücklage in Höhe der Abschreibungen überhöht sein, wenn die steuerlich zulässigen (Sonder-) Abschreibungen dem tatsächlichen Wertverlust übersteigen.

• Mustersatzung

Was bisher streitig war, ist nunmehr geklärt. Nach Ansicht der Finanzverwaltung ist die so genannte Mustersatzung nach § 60 AO, also die gesetzlich notwendige Mustersatzung für die Gemeinnützigkeit wortwörtlich zu übernehmen. Allerdings wird derselbe Aufbau und dieselbe Reihenfolge wie in der Mustersatzung nicht verlangt.

Nur ganz wenige Abweichungen vom Wortlaut der Mustersatzung lässt der Anwendungserlass für gemeinnützige Vereine zu:

So genannte Mittelbeschaffungskörperschaften können entgegen den Text in § 1 der Mustersatzung auf das Gebot der Unmittelbarkeit verzichten. In Satzungen von Vereinen muss der Begriff „Aufhebung eines Vereins“ nicht verwendet werden, weil es eine Aufhebung bei Vereinen nicht gibt. Es genügt daher, den Begriff „Auflösung“ zu benutzen.

• Wettbewerb bei Zweckbetriebe

Bei den so genannten Zweckbetrieben (Geschäftsbetrieb, der für die Erfüllung der gemeinnützigen Ziele des Vereins notwendig ist) durften diese schon bisher nicht mehr mit gewerblicher Konkurrenz in Wettbewerb treten, als dies zur Erfüllung der gemeinnützigen Ziele unvermeidlich notwendig ist. Nunmehr soll es dabei nichtmehr auf eine tatsächliche Wettbewerbssituation vor Ort ankommen, es genügt die Gefahr eines potentiellen Wettbewerbs, also dass es überhaupt zu einem Wettbewerb (z. B. durch zukünftige gewerbliche Anbieter) kommen kann.

• Extremistische Körperschaften

Dass so genannte extremistische Körperschaften von den Steuerbegünstigungen ausgeschlossen sind, steht bereits in § 51 Abs. 3 Abgabenordnung. Als extremistisch zählt nunmehr ein gemeinnütziger Verein, wenn er im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes ausdrücklich als extremistisch eingestuft wird oder nach dem Verfassungsschutzbericht zumindest belegbare Hinweise für eine Einstufung als extremistisch bestehen. In diesen Fällen ist eine Anerkennung als gemeinnützig ist zu widerrufen. Selbst die Erwähnung als Verdachtsfalls oder bei nur beiläufiger Erwähnung im Verfassungsschutzbericht sind Anlass für weitergehende Ermittlungen der Finanzbehörden, ob die Anerkennung als gemeinnützig zu widerrufen ist. Auch sind die Finanzbehörden befugt und verpflichtet, ihnen bekannt gewordene Tatsachen über eine Einschätzung einer Körperschaft als extremistisch den Verfassungsschutzbehörden mitzuteilen.

• Nichtverfolgung von polizeilicher Anordnung

Die tatsächliche Geschäftsführung eines gemeinnützigen Vereins muss sich im Rahmen der verfassungsgemäßen Ordnung bewegen. Diese soll dabei bereits durch die Nichtbefolgung polizeilicher Anordnung durchbrochen werden. Allerdings verstößt gewaltfreier Widerstand wie z.B. Sitzblockaden danach noch nicht gegen die verfassungsgemäße Ordnung.

• Andere neugefasste Regelungen,

die nur für bestimmte Vereine eine Bedeutung haben, betreffen die Zulässigkeit der Nutzung vereinseigener Schwimmbäder auch durch Vereinsfremde (siehe Anwendungserlass – Zu $ 67a Nr. 11- 14), die Einschätzung von Krankentransport durch gemeinnützige Körperschaften al steuerbegünstigten Zweckbetrieb (Anwendungserlass – Zu § 66 Nr. 6) und die Definition von Jugendliche als Personen bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres bei bestimmten Sachverhalten des Gemeinnützigkeitsrechtes (siehe Anwendungserlass – Zu § 52 Nr. 2.1).

• Fazit

Durch die Neufassung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung vom 17.01.2012, der ja eigentlich nur die Auffassung der Finanzverwaltung zu diesen Fragen darstellt (und damit auch vor Gerichten angegriffen werden kann), ist das Gemeinnützigkeitsrecht doch tatsächlich erheblich verändert worden. Gemeinnützige Vereine müssen diese Änderungen bei ihrer tatsächlichen Geschäftsführung beachten, wenn sie nicht Gefahr laufen wollen, ihre Anerkennung als gemeinnützig zu verlieren.

Elb empfahl, dies zu beachten und bei Fragen auf jeden Fall Rechtsrat einzuholen, wobei er in diesem Zusammenhang u. a. auch auf die DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. – www.mittelstands-anwaelte.de – verwies.

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Werner G. Elb
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