(Kiel) In einem Arzthaftungsprozess hat das zuständige Gericht in besonderem Maße für ein faires Verfahren zu sorgen, weil es typischerweise ein Informationsgefälle zwischen der ärztlichen Seite und dem Patienten gibt, das auszugleichen ist.

 

Unter Hinweis auf diese rechtlichen Anforderungen hat der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm (OLG) mit Urteil vom 30.01.2015 die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts Bielefeld aufgehoben und einen Arzthaftungsprozess zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Bielefeld zurückverwiesen.

 

Darauf verweist der Stuttgarter Rechtsanwalt Alexander Rilling von der DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für mittelständische Wirtschaft e.V. mit Sitz in Kiel unter Hinweis auf die Mitteilung des OLG Hamm vom 14.04.2015 zu seinem rechtskräftigen Urteil vom 30.01.2015 (26 U 5/14).

Der im Jahre 2005 geborene, im Prozess durch seine Eltern aus Gütersloh vertretene Kläger verlangt vom Träger des beklagten Krankenhauses in Gütersloh und von den ihn während der Schwangerschaft seiner Mutter und während der Geburt behandelnden Ärzten Schadensersatz wegen einer behaupteten ärztlichen Fehlbehandlung anlässlich seiner Geburt.

Auf Veranlassung des die Kindesmutter während der Schwangerschaft betreuenden, beklagten Arztes begab sich die Kindesmutter im August 2005 in das beklagte Krankenhaus in Gütersloh. In diesem wurde der Kläger ca. 3 Stunden nach dem Eintreffen seiner Mutter und zwischenzeitlichen Untersuchungen durch die ebenfalls beklagten Krankenhausärztinnen mittels Kaiserschnitt geboren. Der Kläger behauptet, eine unzureichende ärztliche Betreuung seiner Mutter habe zu seiner mehrstündigen Sauerstoffunterversorgung geführt und bei ihm schwerwiegende geistige und körperliche Störungen u.a. in Form einer fokalen Epilepsie, einer schweren psychomotorischen Retardierung und einer zentralen Sehminderung verursacht. Hierfür verlangt der Kläger Schadensersatz, insbesondere ein Schmerzensgeld i.H.v. 150.000 Euro und eine monatliche Schmerzensgeldrente von 300 Euro.

Das Landgericht hat ein gynäkologisches Sachverständigengutachten und ein neonatologisches Sachverständigengutachten eingeholt und sich die Gutachten durch die beauftragten Sachverständigen mündlich erläutern lassen. Über die beim Kläger eingetretenen Folgen hat es zudem durch ein nur mündlich erstattetes Gutachten des neonatologischen Sachverständigen Beweis erhoben. Ein 3 Tage vor der letzten mündlichen Verhandlung durch den Kläger vorgelegtes privatärztliches Gutachten, das die Ergebnisse des gynäkologischen Gutachtens angreift, hat das Landgericht als verspätet zurückgewiesen.

In seinem Urteil hat das Landgericht die Klage gegen das Krankenhaus und die beklagten Krankenhausärztinnen mangels feststellbaren Behandlungsfehlers abgewiesen. Den die Kindesmutter während der Schwangerschaft betreuenden Arzt hat es verurteilt, weil der Beklagte die Kindesmutter zu spät und ohne ausreichenden Hinweis auf Auffälligkeiten ins Krankenhaus eingewiesen habe.

Auf die Berufungen des Klägers und des verurteilten Arztes hat der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm das erstinstanzliche Urteil aufgehoben. Das Verfahren ist nunmehr erneut vom Landgericht Bielefeld zu verhandeln und zu entscheiden.

Die Entscheidung des Landgerichts verletze, so der 26. Zivilsenat, Verfahrensrechte des Klägers. Das vorgelegte Privatgutachten habe das Landgericht zu Unrecht zurückgewiesen. In einem Arzthaftungsprozess, in dem es typischerweise ein Informationsgefälle zwischen der ärztlichen Seite und den Patienten gebe, habe das Gericht in besonderem Maße für ein faires Verfahren Sorge zu tragen. Dazu gehöre es, einer medizinisch nicht sachkundigen Partei Gelegenheit zu geben, auch nach dem Vorliegen eines gerichtlichen Gutachtens unter Zuhilfenahme eines weiteren Mediziners zu schwierigen medizinischen Fragen noch einmal Stellung zu nehmen. Andernfalls wäre die Partei in den meisten Fällen nicht in der Lage, dem gerichtlichen Sachverständigen etwaige abweichende medizinische Lehrmeinungen vorzuhalten, auf mögliche Lücken der Begutachtung hinzuweisen und etwaige Widersprüche im Gutachten aufzuzeigen.

Vor diesem Hintergrund sei es nicht gerechtfertigt gewesen, dem Kläger die Chance zu nehmen, den gerichtlichen Sachverständigen mit den Einwänden des Privatgutachters zu konfrontieren. Dem Landgericht habe sich aufdrängen müssen, dass der gynäkologische Gutachter einerseits davon ausgegangen sei, dass dem verurteilten Arzt die Dringlichkeit einer Klinikeinweisung vorzuhalten sei, während er der Klinik selbst über mehrere Stunden noch die vage Möglichkeit einer vaginalen Entbindung zugestanden habe. Aus diesem Grunde habe das Landgericht die Beweisaufnahme fortsetzen müssen.

Verfahrensfehlerhaft sei es auch gewesen, zu den schwierigen medizinischen Fragen der beim Kläger eingetretenen Behandlungsfolgen nur ein mündliches Sachverständigengutachten einzuholen und kein schriftliches Gutachten anzufordern. Dies deswegen, weil Krankenunterlagen gefehlt hätten und der Sachverständige bestimmte Fragen ad hoc nicht habe beantworten können. In einem solchen Fall könne ein in einer Verhandlung nur mündlich erstattetes Gutachten allenfalls von einem medizinischen Sachverständigen sofort nachvollzogen werden, aber kaum von den weiteren Verfahrensbeteiligten einschließlich der Anwälte und des Gerichts.

Rilling riet, bei ähnlich gelagerten Fällen auf jeden Fall Rechtsrat einzuholen und verwies in diesem Zusammenhang u.a. auch auf die DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberater-vereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. – www.mittelstands-anwaelte.de –

 

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Alexander Rilling
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