(Kiel) Der 5. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichtes (Bankensenat) hat die Schadenersatzklage von Kunden des zwischenzeitlich insolventen Wertpapierdienstleistungsunternehmen Accessio AG gegen die beiden ehemaligen Vorstandsmitglieder abgewiesen, weil er es nicht als erwiesen ansah, dass die Vorstandsmitglieder die Kundenberater systematisch zu einer fehlerhaften Anlageberatung veranlasst haben.
Darauf verweist der Hamburger Rechtsanwalt Matthias W. Kroll, LL.M., Leiter des Fachausschusses „Finanzdienstleistungs- und Versicherungsrecht“ der DASV Deutschen Anwalt- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V. mit Sitz in Kiel, unter Hinweis auf die Mitteilung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht (OLG) zu seinem Urteil vom 23. Mai 2013, Az. 5 U 140/12.
• Zum Sachverhalt:
Das klagende Ehepaar ließ sich bei der Vermögensanlage ab April 2007 durch die Accessio AG beraten. Im Zeitraum April 2007 bis Juli 2008 zeichneten sie Wertpapiere zu einem Anschaffungspreis von knapp 190.000 Euro. Vor der jeweiligen Anschaffung fanden Beratungsgespräche mit einem Berater der Accessio AG statt. Die gezeichneten Wertpapiere haben zwischenzeitlich massiv an Wert verloren. Im September 2010 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Accessio AG eröffnet. Die Kläger verlangten nunmehr von den beiden ehemaligen Vorstandsmitgliedern der Accessio AG Schadensersatz in Höhe von knapp 150.000 Euro mit der Begründung, dass diese veranlasst hätten, dass die Kunden der Accessio AG systematisch falsch beraten und in riskante Vermögensanlagen vermittelt worden seien.
• Aus den Gründen:
Die beiden Vorstandsmitglieder haften nicht persönlich auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung der Kunden (§ 826 BGB). Der Vorstand einer Anlagevermittlungsgesellschaft haftet persönlich dann, wenn er veranlasst, dass auf seine Weisung bei riskanten Geschäften die Kunden bewusst über Risiken und verminderte Gewinnchancen ungenügend aufgeklärt bzw. die Risiken bewusst verharmlost werden. Diese Voraussetzungen sieht der Senat nicht als erwiesen an.
Nach der damaligen Gesetzeslage (Beratungszeitraum April 2007 bis Juli 2008) war eine schriftliche Information der Kunden über die Risiken der vertriebenen Kapitalanlagen nicht erforderlich . Es ist auch nicht erwiesen, dass die beklagten Vorstandsmitglieder ihre Berater aktiv angewiesen hätten, dass die Kunden von den Emissionsprospekten der Wertpapiere keine Kenntnis erlangen sollten. Gegen eine solche Weisung spricht insbesondere, dass die Emissionsprospekte den Beratern bei der Produktschulung zugänglich gemacht wurden, den Beratern im firmeneigenen Intranet stets zur Verfügung standen und für Kunden auf der Internet Homepage der Accessio AG zum Download bereitstanden.
Die Beweisaufnahme hat auch ergeben, dass die Berater der Accessio AG gehalten waren, die Kunden vor Zeichnung der Wertpapiere über die entsprechenden produktbezogenen Risiken aufzuklären und vor Zeichnung eine Abfrage der Risikobereitschaft und Kenntnis des Kunden durchzuführen. Es hängt vom Anlageprofil und Anlageziel des Kunden ab, ob eine Aufklärung beim Erwerb von Wertpapieren dahingehend erforderlich war, dass diese nicht wie Spareinlagen von der gesetzlichen Einlagensicherung umfasst sind. Wenn der Anleger bereits umfassend, zum Beispiel über ein Totalverlustrisiko aufgeklärt worden ist, ist eine gesonderte Aufklärung über den fehlenden Schutz durch den Einlagensicherungsfond nicht mehr erforderlich, weil der Hinweis auf ein Totalverlustrisiko denklogisch bereits die Information eines fehlenden anderweitigen Sicherungsmechanismus beinhaltet.
Der Senat sieht es auch nicht als ein sittenwidriges Geschäftsmodell an, wenn die über Tagesgelder gewonnenen Kunden nach dem Auslaufen der Tagesgelder für andere Produkte wie Unternehmensanleihen durch Werbung gewonnen werden sollen. Das werbemäßige Angebot von Unternehmensanleihen an – unterstellt – risikoscheue Anleger, stellt sich nicht als unzulässig dar, wenn in dem nachfolgenden Beratungsgespräch eine zutreffende Risikoaufklärung erfolgt und der Kunde auf deren Grundlage vom früheren Anlageziel abrückt und sich für ein bestimmtes Anlageprodukt entscheidet.
Im Übrigen haben die Kläger nicht nachvollziehbar dargelegt, weshalb die vermittelten Kapitalanlagen wegen behaupteter „Klumpenrisiken“ und einer erheblichen Marktenge alle ungeeignet gewesen sein sollen. Die gesellschaftsrechtlichen Verflechtungen der Emittenten werden nicht aufgezeigt.
In den Parallelverfahren 5 U 33/12 und 5 U 42/12 sind gegen die Entscheidungen des Oberlandesgerichts vom 14.02.2013 Nichtzulassungsbeschwerden beim BGH eingelegt, Aktenzeichen des BGH: VI ZR 122/13 und VI ZR 162/13. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19.03.2013 zum Aktenzeichen XI ZR 431/11 betraf die Haftung der Direktbank, bei dem das Wertpapierdepot geführt wurde.
Kroll riet, dies zu beachten und in allen Zweifelsfragen Rechtsrat einzuholen, wobei er dazu u. a. auch auf die entsprechend spezialisierten Anwälte und Anwältinnen in der DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. – www.mittelstands-anwaelte.de – verwies.
Für Rückfragen steht Ihnen zur Verfügung:
Matthias W. Kroll, LL.M.
Rechtsanwalt/Master of Insurance Law
Fachanwalt für Arbeitsrecht/Fachanwalt für Versicherungsrecht
Leiter des Fachausschusses XIV „Finanzdienstleistungs- und Versicherungsrecht“
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