(Kiel) Für jeden Häuslebauer ist die Kostenschätzung des Architekten von wirtschaftlich – möglicherweise sogar existentieller – Relevanz.
Umso beachtlicher, so die Frankfurter Rechtsanwältin und Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht Helene – Monika Filiz, Präsidentin des VBMI – VERBAND DEUTSCHER ANWÄLTE für Bau-, Miet- und Immobilienrecht e. V. mit Sitz in Kiel, sei das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Schleswig vom 22.03.2018 (7 U 48/18, NZBau 2019, 182), wonach der Architekt gegenüber dem Bauherrn für eine unzutreffende Einschätzung der voraussichtlichen Kosten, keine Haftung zu übernehmen hat, sofern die Baukosten eine Toleranz von immerhin 30 – 40 % nicht überschreiten.
I. Folgenden Sachverhalt hatte des OLG Schleswig juristisch zu beurteilen:
Die Kläger hatten ein Grundstück, auf welchem ein etwa 10 Jahre altes Haus belegen war, gekauft. Das Haus war zum Teil renovierungs- bzw. sanierungsbedürftig (Erneuerung des Daches, Holzfußbodens sowie der Kellertreppe).
Der beklagte Architekt war mündlich mit Planungsleistungen beauftragt worden. Er sollte die Grundlagen und die Vorplanung für die Renovierung bzw. Sanierung ermitteln. Die Kläger, die keine Erfahrungen mit Bauvorhaben hatten, hatten dem Architekten ihr Budget für das Bauvorhaben mit ca. € 100.000,00 bekanntgegeben.
Der beauftragte Architekt ermittelte ein Kostenvolumen von ca. € 99.000,00, wobei in diesen Kosten sowohl Fremd-, als auch Materialkosten sowie Eigenleistungen der Bauherrn enthalten waren. Die Kläger entschieden sich alsdann dahingehend, Abbrucharbeiten durchführen zu lassen. Dies führte alsdann zur vollständigen Unbewohnbarkeit des Objektes.
Alsdann wurden die Sanierungskosten durch den Architekten auf ca. € 126.000,00 geschätzt, wobei er im Hinblick auf das ursprünglich mitgeteilte Budget, auf eine Minimierung der durchzuführenden Arbeiten hinzuwirken versuchte. Die Kläger begehrten, unter Fristsetzung gegenüber dem Architekten, die Fortsetzung der Planung, wobei sie mitteilten, dass weitere € 20.000,00 finanziert werden könnten. Die Kläger erklärten alsdann die außerordentliche Kündigung nach fruchtlosem Fristablauf.
II. Prozessverlauf
Der Sachverständige ermittelte einen Sachwert des Gebäudes mit € 1,00 zum Zeitpunkt der Feststellung sowie € 109.000,00 zum Zeitpunkt der ursprünglichen Beauftragung des Architekten. Die Mindestsumme für die Wiederherstellung des Gebäudes wurde durch den Sachverständigen mit € 110.000,00 ermittelt.
Die Kläger begehrten von dem Architekten primär Schadensersatz im Hinblick auf die Wertdifferenz i.H.v. € 108.999,00. Begründet wurde dieser geltend gemachte Schadensersatzanspruch im Wesentlichen damit, dass die Kläger angaben, dieselben hätten bei zutreffender Ermittlung der voraussichtlichen Kosten das Modernisierungs- bzw. Sanierungsvorhaben das Bauvorhaben nicht durchgeführt.
III. Rechtliche Würdigung
Diese praktisch relevante Fragestellung hat das OLG Schleswig dahingehend beurteilt, dass die ursprüngliche Schätzung der Kosten durch den Architekten nicht fehlerhaft gewesen sei. Der vereinbarte Toleranzrahmen hinsichtlich der Kosten sei eingehalten.
Insoweit habe es keine Pflichtverletzung des Architektenvertrages gegeben, welche Voraussetzung einer Schadensersatzverpflichtung gewesen wäre. In rechtlicher Hinsicht war hierdurch keine Entscheidung hinsichtlich Kausalität, Schadenshöhe und Verschuldens- bzw. Mitverschuldungsaspekte mehr erforderlich. Hinsichtlich der Schätzung der Baukosten durch den Architekten sei demselben ein Toleranzrahmen zu beachten, der durchaus einer Marge von 30 % bis 40 % umfassen könne. Die Einräumung eines Toleranzrahmens habe auch deswegen zu erfolgen, weil es einer Kostenermittlung immanent sei, dass die voraussichtlichen Baukosten noch nicht präzise zu bestimmen sein können. Die tatsächlichen Baukosten hängen u.a. auch davon ab, welche Marktkonditionen zum Zeitpunkt der Durchführung der Arbeiten gelten. Erst mit „zunehmender Planungstiefe“ sei eine jeweils präzisere Kostenermittlung geschuldet.
In rechtlicher Hinsicht ist anzumerken, dass die verwendete Begrifflichkeit der „Grobkostenschätzung“ der HOAI 2009 sowie 2013 und der DIN 276 nicht bekannt sind.
Als Fazit kann für den Bauherrn festgehalten werden, dass der Auftraggeber die Überschreitung einer vereinbarten Baukostenobergrenze vollumfänglich die Darlegungs- und Beweislast für die Beschaffenheitsvereinbarung trägt. Insoweit sind mündliche Vereinbarungen / Verträge selbstverständlich wenig hilfreich.
Hätten die Kläger demgegenüber darlegen und beweisen können, dass eine Baukostenobergrenze verbindlich vereinbart worden ist, wäre die rechtliche Beurteilung hinsichtlich der Überschreitung des Baukostenrahmen anders ausgefallen.
Ein weiterer rechtlich interessanter Aspekt ergibt sich in der konkreten Sachverhaltskonstellation aus dem Umstand, dass die Kläger und deren Sohn sowie der Sohn des beklagten Architekten die Abbrucharbeiten sowie deren Freunde und Bekannten die Abbrucharbeiten sozusagen in „Schwarzarbeit“ haben durchführen lassen. Dies führte dazu, dass Sozialabgaben nicht abgeführt wurden.
Im Hinblick auf den Umstand, dass die Abbrucharbeiten nicht mangelfrei gewesen waren, gibt es – selbstverständlich – keine Gewährleistungsansprüche, weil die Schwarzgeldabrede zur Gesamtnichtigkeit des Vertrages führt.
Allerdings kann man sich berechtigter Weise die Frage stellen, ob der Architekt, der die Schwarzarbeit duldet bzw. fördert sich im Verhältnis zum Bauherrn ggf. Schadensersatzansprüchen aussetzt.
Es entspricht jedenfalls gesicherter Rechtserkenntnis, dass sich der Architekt nur dann auf die Grundsätze von Treu und Glauben nach Maßgabe des § 242 BGB wird berufen können, wenn er von der Schwarzarbeit der am Bau Beschäftigten, nichts weiß.
Dementsprechend, so betont Filiz, ist auch unter diesem Aspekt – nach wie vor – vor „Schwarzarbeit“ am Bau zu warnen. Der Bauherr verliert im Rahmen einer Schwarzgeldabrede nicht nur seine Gewährleistungsansprüche gegenüber dem Werkunternehmer, sondern riskiert auch, dass er keine Ansprüche gegenüber dem Planüberwacher (Architekt) geltend machen kann.
Filiz empfahl, dies zu beachten und bei Fragen auf jeden Fall Rechtsrat einzuholen, wobei sie in diesem Zusammenhang u. a. auch auf den VBMI – VERBAND DEUTSCHER ANWÄLTE für Bau-, Miet- und Immobilienrecht e. V. – www.VBMI-Anwaltsverband.de – verwies.
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