(Kiel) Angesichts der Komplexität und Dauer von Baumaßnahmen besteht oftmals das Bedürfnis, auf Veränderungen während des Bauens zu reagieren und für ein vertraglich vereinbartes Werk nach Beginn der Bauausführung Änderungen zu beauftragen.
Hierfür, so die Hamburger Rechtsanwältin und Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht Barbara Schmeel, Leiterin des Fachausschusses „Architektenrecht“ des VBMI – VERBAND DEUTSCHER ANWÄLTE für Bau-, Miet- und Immobilienrecht e. V.mit Sitz in Kiel, steht dem Besteller nach dem neuen Bauvertragsrecht, das am 01. Januar 2018 in Kraft getreten ist, ein Anordnungsrecht gemäß § 650b Abs. 2 S. 1 BGB zur Verfügung.
Als Folge der Ausübung des Anordnungsrechts durch den Besteller kann der Unternehmer nach § 650c BGB die Anpassung der Vergütung verlangen. Dies kann zu Streitigkeiten zwischen Besteller und Unternehmer führen. Um in diesem Fall einem Baustillstand und Liquiditätsengpässen auf Seiten des Unternehmers vorzubeugen, gibt der neue § 650d BGB den Parteien die Möglichkeit, im Wege der sog. Bauverfügung vorläufigen Rechtsschutz zu erlangen.
Auf diese Weise kann der Besteller den Unternehmer vorläufig verpflichten, seinen Anordnungen Folge zu leisten. Andererseits hat der Unternehmer die Möglichkeit, einen vorläufigen Titel über den erhöhten Abschlagzahlungsanspruch oder zumindest eine Sicherheit hierfür zu erlangen. Bisher musste der Unternehmer eine Mehrvergütung durch eine Verweigerung der Leistung durchsetzen, riskierte dabei aber eine Kündigung mit unter Umständen erheblichen Schadensfolgen. Alternativ konnte er die Leistung dennoch ausführen, die Liquiditätseinbuße zunächst hinnehmen und anschließend einen Vergütungsprozess anstrengen.
Im Grundsatz bleibt es bei der Anwendung der allgemeinen Regeln über das einstweilige Verfügungsverfahren der §§ 935, 940 BGB. Für eine einstweilige Verfügung bedarf es daher zunächst eines Verfügungsanspruchs. Dieser besteht aus Sicht des Bestellers, wenn er glaubhaft machen kann, dass einer der beiden Tatbestände des § 650b Abs. 1 S. 1 gegeben ist. Dies ist zum einen der Fall, wenn der Besteller den ursprünglich vereinbarten Werkerfolg durch ein anderes Vertragsziel ersetzen möchte (§ 650b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB). Das Änderungsverlangen muss dem Unternehmer zumutbar sein. Zum anderen ist der Tatbestand des § 650b Abs. 1 S. 1 BGB erfüllt, wenn eine Änderung notwendig ist, um den ursprünglich vereinbarten Werkerfolg zu erreichen (§ 650b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB). Aus Sicht des Unternehmers ist ein Verfügungsanspruch gegeben, wenn er einen Mehrvergütungsanspruch nach § 650c BGB geltend machen kann.
Neben dem Verfügungsanspruch braucht es für eine einstweilige Verfügung einen Verfügungsgrund. Ein solcher ist gegeben, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 935 ZPO) oder die Regelung eines einstweiligen Zustandes zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder auch aus anderen Gründen nötig erscheint (§ 940 ZPO). Die Besonderheit des § 650d BGB liegt darin, dass der Erlass einer einstweiligen Verfügung dadurch erleichtert wird, dass das Vorliegen des Verfügungsgrundes bei Streitigkeiten über das Anordnungsrecht des Bestellers gemäß § 650b BGB und die Vergütungsanpassung nach § 650c BGB, die nach Beginn der Bauausführung entstehen, widerlegbar vermutet wird. Das heißt, der Antragsteller muss diesen nicht glaubhaft machen. Dies ist angesichts der sich ständig ändernden Sachlage am Bau und der drohenden Schaffung vollendeter Tatsachen, wenn ohne die vorherige gerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit einer Anordnung des Bestellers weitergebaut wird, gerechtfertigt.
Insbesondere bei Änderungen, die mit erheblichen Kostensteigerungen verbunden sind, wird die Möglichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes voraussichtlich eine bedeutende Rolle spielen. Hauptanwendungsfälle könnten dabei Streitigkeiten der Vertragsparteien über die Zumutbarkeit einer Änderungsanordnung und Uneinigkeit darüber, ob eine Anordnung überhaupt eine Änderung des Vertrages oder die bloße Verwirklichung der vertraglich geschuldeten Leistung darstellt, sein.
Offene Fragen ergeben sich unter anderem im Hinblick auf die Widerlegbarkeit der Vermutung des § 650d BGB. Hier ist problematisch, dass eine Leistungsverfügung nach § 940 ZPO aufgrund der damit verbundenen Vorwegnahme der Hauptsache grundsätzlich voraussetzt, dass dem Antragsteller andernfalls ein unverhältnismäßig großer, irreparabler oder existenzgefährdender Nachteil droht. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn eine ernsthafte Liquiditätsgefährdung für den Unternehmer nicht zu erwarten ist oder der geltend gemachte Mehrvergütungsanspruch so gering ist, dass dieser nicht zu einem relevanten Liquiditätsvorteil führt. Es erscheint jedoch zweifelhaft, ob es für die Widerlegung der Vermutung des § 650d BGB ausreicht, dass der Besteller darlegt, dass es sich lediglich um eine geringe Mehrvergütung handelt oder, dass der Unternehmer ohnehin über ausreichend Geld verfügt.
Im Hinblick auf diese und weitere klärungsbedürftige Fragen, aber auch auf die Überlastung der Baukammern der Landgerichte bleibt abzuwarten, ob die Neuregelung des § 650d BGB geeignet ist, die aufgezeigten Konflikte zwischen Bestellern und Werkunternehmern zu bewältigen.
Schmeel empfahl, dies zu beachten und bei Fragen auf jeden Fall Rechtsrat einzuholen, wobei sie in diesem Zusammenhang u. a. auch auf den VBMI – VERBAND DEUTSCHER ANWÄLTE für Bau-, Miet- und Immobilienrecht e. V. – www.VBMI-Anwaltsverband.de – verwies.
Für Rückfragen steht Ihnen zur Verfügung:
Barbara Schmeel
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht
Leiterin des Fachausschusses „Architektenrecht“ des VBMI – VERBAND DEUTSCHER ANWÄLTE für Bau-, Miet- und Immobilienrecht e. V., Kiel
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