(Stuttgart) Das Oberlandesgerichts Hamm hatte soeben einen Rechtsstreit zu entscheiden, in welchem sich die Erbin des Verstorbenen und die Bezugsberechtigten in einer Lebensversicherung des Verstorbenen um die Lebensversicherungssumme stritten.

Darauf verweist der Stuttgarter Fachanwalt für Erbrecht Henn, Vizepräsident der Deutschen Anwalts-, Notar- und Steuerberatervereinigung für Erb- und Familienrecht e.V., mit dem Sitz in Stuttgart, unter Hinweis auf die Mitteilung des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm vom 14.12.2016 zu seinem rechtskräftigen Beschluss vom 13.05.2016 (20 W 20/16).

• Zum Hintergrund:

Der Versicherungsnehmer einer Lebensversicherung legt durch eine gegenüber dem Versicherer abzugebende Erklärung fest, wem die Versicherungsleistung nach seinem Tode zustehen soll. Er bestimmt so über das Bezugsrecht der Lebensversicherung. Wählt er hierbei unklare, interpretationsbedürftige Formulierungen, sind die – regelmäßig erst nach seinem Tode angerufenen – Gerichte gezwungen, seine die Erklärung auszulegen. Das kann zu für die Beteiligten nicht immer vorhersehbaren Ergebnissen führen – klare Formulierungen helfen!

Ein Beispiel gibt der nachstehende, vom 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm zu beurteilende Fall.

• Zum Fall:

Der Versicherungsnehmer einer Lebensversicherung legte fest, dass die Versicherungsleistung nach seinem Tode den ʺEltern, bei Heirat Ehegatteʺ zustehen sollte. Nachdem der Versicherungsnehmer verstorben war, stritten seine Eltern und seine Tochter über die Bedeutung dieser Formulierung, woraus ein Rechtsstreit zwischen der Tochter und dem Versicherer entstand.

Nach dem Beschluss des 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm vom 13.05.2016, der die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts Münster bestätigt, können die überlebenden Eltern in dem zu entscheidenden Fall die Versicherungsleistung nach Tode des Versicherungsnehmers beanspruchen, weil die Ehe des Versicherungsnehmers zuvor geschieden wurde.

• Im Einzelnen:

Die im Jahre 1999 geborene Antragstellerin aus Chemnitz ist die Tochter des im Jahre 2013 im Alter von 42 Jahren verstorbenen Versicherungsnehmers. Sie hat ihren Vater nach dem Tode beerbt. Dieser war von 1996 bis zu seiner Scheidung im Jahre 2000 verheiratet. Aus dieser Ehe stammt die Antragstellerin nicht. 1988 schloss der Erblasser mit der Antragsgegnerin, einem Versicherer aus Münster, einen Lebensversicherungsvertrag mit einer Versicherungssumme von ca. 26.000 DM ab, in dem er festlegte, dass das Bezugsrecht für die Versicherungsleistung nach seinem Tode „den Eltern, bei Heirat Ehegatte“ zustehen solle. Nach dem Tode zahlte die Antragsgegnerin die Versicherungsleistung an die Eltern des Erblassers aus. Die durch ihre Mutter vertretene Antragstellerin ist der Ansicht, dass das Bezugsrecht der Eltern mit der Heirat des Erblassers entfallen sei, so dass die Versicherungsleistung nunmehr ihr als Alleinerbin zustehe. Deswegen schulde ihr die Antragsgegnerin Auskunft über die Versicherungsleistung und (erneute) Zahlung dieses Betrages. Für eine Prozessführung gegen die Antragsgegnerin hat die Antragstellerin Prozesskostenhilfe begehrt.

Das Prozesskostenhilfegesuch ist erfolglos geblieben. Ebenso wie das Landgericht hat auch der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage verneint und Prozesskostenhilfe deswegen versagt.

Das Bezugsrecht für die Versicherungsleistung aus der Lebensversicherung lege der Versicherungsnehmer, so der Senat, durch eine gegenüber dem Versicherer abzugebende Erklärung fest.

Im vorliegenden Fall ergebe sich aus der Erklärung des Erblassers, dass seine Ehefrau die Versicherungsleistung nach der Scheidung nicht mehr habe erhalten sollen. In der vom Erblasser gewählten Formulierung „bei Heirat Ehegatte“ komme zum Ausdruck, dass die Bezugsberechtigung des potentiellen Ehegatten nur für die Dauer der Ehe bestehen sollte.

Nach der Scheidung stehe das Bezugsrecht aber nicht der Antragstellerin als Alleinerbin des Erblassers zu. Der Erblasser habe seine Eltern zunächst für den Fall keiner Heirat als Empfänger der Versicherungsleistung benannt. Auch wenn diese Bestimmung während der Dauer einer Ehe zu Gunsten der Ehefrau entfallen sei, folge daraus nicht, dass die Eltern bei der Beendigung der Ehe nicht erneut berechtigt sein sollten. Die Bestimmung der Eltern als Bezugsberechtigte mit der Einschränkung ʺbei Heirat Ehegatteʺ lasse vielmehr erkennen, dass die Eltern als ursprünglich Bezugsberechtigte erneut bestimmt werden sollten, wenn es beim Tode des Erblassers keinen vorrangig zu berücksichtigenden Ehegatten gebe. Deswegen könne die Antragstellerin die Antragsgegnerin nicht auf Auskunft und nicht (erneut) auf Zahlung der Versicherungsleistung in Anspruch nehmen.

• Hinweis der Pressestelle des OLG Hamm:

Vgl. zu der Problematik auch das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 22.07.2015 (IV ZR 437/14). Nach dieser Entscheidung war die Erklärung eines Versicherungsnehmers gegenüber seinem Versicherer, im Falle seines Todes solle „der verwitwete Ehegatte“ Bezugsberechtigter der Versicherungsleistung sein, so zu verstehen, dass – auch im Fall einer späteren Scheidung der Ehe und Wiederheirat des Versicherungsnehmers – der mit dem Versicherungsnehmer zum Zeitpunkt der Bezugsrechtserklärung verheiratete und bei seinem Tode geschiedene Ehegatte weiterhin bezugsberechtigt sein sollte.

 

Henn riet, das zu beachten und in Zweifelsfällen rechtlichen Rat einzuholen, wobei er u. a. auch auf die Anwälte/ – innen in der DANSEF Deutsche Anwalts-, Notar- und Steuerberatervereinigung für Erb- und Familienrecht e. V., – www.dansef.de – verwies.

 

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