(Stuttgart) Kündigt der Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis noch in der Wartezeit des § 1 Absatz 1 KSchG nicht zum erstmöglichen Termin nach der Wartezeit, sondern mit einer längeren Kündigungsfrist, so liegt darin jedenfalls dann keine unzulässige Umgehung des Kündigungsschutzes, wenn dem Arbeitnehmer mit der verlängerten Kündigungsfrist eine weitere Bewährungschance eingeräumt werden soll.
Darauf verweist der Bremer Fachanwalt für Arbeitsrecht und Gewerblichen Rechtsschutz Klaus-Dieter Franzen, Landesregionalleiter „Bremen“ des VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V., unter Hinweis auf eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Baden-Württemberg vom 6. Mai 2015, Az.: 4 Sa 94/14.
Liegt kein Kleinbetrieb vor, dann findet nach Ablauf der sechsmonatigen Wartezeit auf das Arbeitsverhältnis das Kündigungsschutzgesetz Anwendung. Geklagt hatte ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis noch in der Wartezeit, nicht aber mit der Mindestkündigungsfrist, sondern mit einer Frist von drei Monaten ausgesprochen wurde.
Der Kläger machte mit seiner Klage den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geltend. Er meinte, dass mit einer längeren als der gesetzlichen Mindestkündigungsfrist nur gekündigt werden dürfe, wenn dem Arbeitnehmer eine Bewährungschance eingeräumt werde und für den Fall einer Bewährung eine Wiedereinstellung „verbindlich“ zugesagt werde. Anderenfalls läge eine unzulässige Gesetzesumgehung vor.
Wie zuvor bereits die erste Instanz lehnte auch das Landesarbeitsgericht den geltend gemachten Anspruch ab. Nach Ansicht des Gerichts könne der Arbeitgeber während der sechsmonatigen Wartezeit des Kündigungsschutzgesetzes grundsätzlich frei kündigen, es sei denn, die Kündigung sei sitten- oder treuwidrig. Dies sei bei dem Ausspruch einer Kündigung mit einer sehr langen Kündigungsfrist aber jedenfalls dann nicht der Fall, wenn die Überschreitung der Mindestkündigungsfrist nicht im überwiegenden Interesse des Arbeitgebers liege: Die Beklagte hatte dem Kläger die Chance zur Bewährung geboten und sich bei Erfolg bereit erklärt, mit ihm ein Gespräch über einen neuen Arbeitsvertrag zu führen. Dies habe aber auch dem Kläger gedient. Eine verbindliche Zusage zur Wiedereinstellung sei nicht erforderlich gewesen, so das Gericht.
Das Urteil bestätigt damit die bisherige Rechtsprechung der Arbeitsgerichte (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 7. März 2002, Az.: 2 AZR 93/01; LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 24. Juni 2014, Az.: 5 Sa 222/13). Danach sind zur Wartezeitverlängerung sowohl Kündigungen mit längerer Kündigungsfrist als auch der Abschluss von Aufhebungsvereinbarungen mit verlängerter Frist zulässig.
• Praxistipp:
Arbeitgebern ist es in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis nur auf diesen beiden Wegen möglich, den Arbeitnehmer über die sechsmonatige Wartezeit hinaus weiter zu beschäftigen, ohne dass das Kündigungsschutzgesetz zur Anwendung kommt. Lediglich die „Probezeitverlängerung“ führt nicht zum Ausschluss des Kündigungsschutzgesetzes. Das Arbeitsverhältnis kann dann nur noch gekündigt werden, wenn die Kündigung sozial gerechtfertigt ist. Allein der Umstand, dass der Mitarbeiter eine weitere Probezeit oder Einarbeitungszeit nicht zur Zufriedenheit des Arbeitgebers nutzt, begründet aber keine sozial gerechtfertigte Kündigung.
Existiert ein Betriebsrat, bietet sich aus Arbeitgebersicht an, zum Ende der Wartetzeit eine Aufhebungsvereinbarung mit längerer Auslauffrist zu schließen, weil dann keine Anhörung des kollektivrechtlichen Gremiums erforderlich ist. Das kann allerdings für den Arbeitnehmer nachteilig sein. Denn die Agentur für Arbeit könnte ggf. eine Sperrfrist verhängen, was wiederum den Arbeitnehmer veranlassen könnte, den Aufhebungsvertrag anzufechten. Soll der Eintritt dieses Risikos vermieden werden, kann der Arbeitgeber wie in dem entschiedenen Fall das Arbeitsverhältnis in der Wartezeit mit einer verlängerten Kündigungsfrist kündigen und gleichzeitig dem Arbeitnehmer die Weiterbeschäftigung in Aussicht stellen, wenn die weitere Einarbeitung erfolgreich verläuft. Dabei sehen die Arbeitsgerichte eine verlängerte Kündigungsfrist von drei bis vier Monaten als unschädlich an.
Franzen empfahl, dies zu beachten und riet er bei Fragen zum Arbeitsrecht Rechtsrat in Anspruch zu nehmen, wobei er u. a. auch auf den VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. – www.vdaa.de – verwies.
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