(Kiel) Mit der praktisch relevanten Fragestellung der vorkalkulatorischen Preisfortschreibung für unwillkürliche Mengenänderung hat sich der BGH unlängst auseinandergesetzt.
Darauf verweist die Frankfurter Rechtsanwältin und Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht Helene – Monika Filiz, Präsidentin des VBMI – VERBAND DEUTSCHER ANWÄLTE für Bau-, Miet- und Immobilienrecht e. V. mit Sitz in Kiel, unter Hinweis auf die Entscheidung des BGH vom 08.08.2019 – VII ZR 34/18.
Im Vorfeld dieser Entscheidung des BGH war sich sowohl die obergerichtliche Rechtsprechung als auch die Literatur dahingehend einer Meinung, als dass die Vergütung für Nachträge bei dem VOB/B-Bauvertrag nach § 2 Abs. 5 oder § 2 Abs. 6 VOB/B zu erfolgen hat. Hierbei wurde auf die dem Vertrag zugrunde liegende Urkalkulation im Wege der vorkalkulatorischen Preisfortschreibung Rückgriff zu nehmen.
Je nachdem, ob die vorkalkulatorische Berechnung, die dem Angebot des Werkunternehmers zu Grunde gelegen hat, zutreffend, gewinnbringend oder verlustbringend war, ergab sich mithin im Wege der Preisfortschreibung eine Perpetuierung dieser Vertragsbedingungen.
Diese Annahmen wurden verkürzt: „Guter Preis bleibt guter Preis, schlechter Preis bleibt schlechter Preis“.
Die möglicherweise ruinösen Rechtsfolgen, sowohl auf Anbieter- als auch auf Annehmerseite sind hierbei jedoch vollkommen außer Acht geblieben.
Der BGH hat mit der genannten Entscheidung allerdings die langjährige Praxis in der Rechtsprechung durchbrochen.
Zwar hat sich der BGH lediglich mit der Bemessung des neuen Einheitspreises bei Mehr- und Mindermengen nach § 2 Abs. 3 VOB/B auseinandergesetzt. Die Ausführungen des BGH werden allerdings in der einschlägigen Rechtsprechung sowie Literatur dahingehend verstanden, dass sie auf die Ermittlung des neuen Einheitspreises von geänderten Leistungen nach Maßgabe des § 2 Abs. V VOB/B übertragen werden (so u.a. OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.12.2019 – 5 U 52/19; OLG Frankfurt, Urt. v. 21.09.2020, 29 U 171/19).
Unter Zugrundelegung der Maßstäbe der neueren Rechtsprechung sind für die Bemessung des Preises von Nachträgen somit die tatsächlich erforderlichen Kosten nebst angemessener Zuschläge für die Allgemeinen Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn zu berücksichtigen.
Der BGH stellt im Rahmen seiner Überlegungen insbesondere Gerechtigkeitserwägungen in den Vordergrund. Hierbei ist der Gedanke entscheidend, dass keine Partei, lediglich wegen der Änderungen von den anderen Partei sozusagen „übervorteilt“ werden sollte.
Der BGH führt in diesem Zusammenhang aus:
„Die Anknüpfung an die tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge stellt sich für keine der Vertragsparteien als zum Nachteil der anderen Partei wirkender Vorteil dar. Der Auftragnehmer erhält so für die relevanten Mehrmengen eine auskömmliche Vergütung. Es widerspräche Treu und Glauben, würde er aufgrund der nicht vorhergesehenen Mengenmehrung auf Kosten seines Vertragspartners einen über den angemessenen Zuschläge hinausgehenden Gewinn erwirtschaften oder der Auftraggeber von einem infolge der Mengenmehrung für den Auftragnehmer unauskömmlich oder unwirtschaftlich gewordenen Preis profitieren.“
Ob bei einem Vertrag über die Instandhaltung von Bauwerken das Werk für die Konstruktion, den Bestand oder den bestimmungsgemäßen Gebrauch nach § 650 a Abs. 2 BGB von wesentlicher Bedeutung ist, ist im Rahmen einer wertenden Betrachtung unter Rückgriff auf die Rechtsprechung zu § 638 BGB a. F. zu beurteilen. Ergibt diese wertende Betrachtung, dass die Instandhaltungsarbeiten der Erhaltung und/oder der Funktionsfähigkeit des Bauwerks dienen, ist regelmäßig davon auszugehen, dass diese von wesentlicher Bedeutung sind mit der Folge, dass die Vorschriften des Bauvertragsrechts Anwendung finden.
Sofern im Einzelfall Malerarbeiten sich nicht auf den bloßen Anstrich der Fassade eines Hauses beschränken, sondern darüber hinaus die Reparatur von Schäden des Untergrundes wie etwa Setz- und Spannungsrissen umfassen, dienen sie bei einer solchen wertenden Betrachtung der Wiederherstellung der Funktion der Fassade. Sie sind daher von wesentlicher Bedeutung i.S.v. § 650 a Abs. 2 BGB. Die konkrete Dauer der Leistungserbringung für die Einordnung als Bauvertrag nicht entscheidend.
OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss v. 15.12.2021 – 25 U 342/21
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Leistung einer Sicherheit gem. § 650 f BGB. Die Beklagten sind Eigentümer ein Doppelhaushälfte. Die Klägerin betreibt ein Malerunternehmen. Auf die Anfrage der Beklagten vom 14.02.2019 unterbreitete die Klägerin ein nach Einheitspreisen kalkuliertes Angebot über eine kalkulierte Gewinnsumme von EUR 8.093,17. Dieses Angebot umfasste neben der Stellung sowie der Auf- und Abbaus eines Fassadengerüstes u.a. Position: „Kleine Schäden des Untergrundes mit zementhaltiger Spachtelmasse bei spachteln und nachschleifen“. Weiter sah das Angebot Arbeiten an einem vorhandenen Holzuntergrund vor, welche das Schleifen, das Ausbessern von Schäden am Holz, das Grundieren, das Vorlackieren sowie das anschließende Anstreichen es Holzes beinhalteten. Am 4./.6.6.2019 unterzeichneten die Parteien unter Bezugnahme auf das Angebot eines als „Bauvertrag mit Verbrauchern“ bezeichneten Vertrag. Die Klägerin führte vom 06.04.2019 bis zum 16.05.2019 die Arbeiten durch. Nach diversen Rapportzetteln wurden dabei auch Schäden ausgebessert sowie ein Riss an einer Balkondecke geöffnet, grundiert und verspachtelt. Die Abnahme erfolgte am 16.5.2019 vorbehaltlich einzelner in dem von beiden Parteien unterzeichneten Abnahmeprotokoll aufgeführten Mängel. Die Klägerin erstellte zuletzt eine Schlussrechnung über restliche EUR 11.229,76 und forderte die Beklagte unter Fristsetzung zur Stellung einer Bauhandwerkersicherung i.H.v. EUR 12.352,72 auf. Die Beklagte lehnten dies im Wesentlichen mit der Begründung ab, es liege kein Bauvertrag vor.
Das LG Konstanz hat mit Urteil vom 14.7.2021 – B 4 O 391/20 der Klage auf Sicherheitsleistung und Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten stattgegeben.
Die Berufung ist nach dem vorliegenden Hinweisbeschluss zurückgekommen worden.
Filiz empfahl, dies zu beachten und bei Fragen zum Baurecht auf jeden Fall Rechtsrat einzuholen, wobei sie in diesem Zusammenhang u. a. auch auf den VBMI – VERBAND DEUTSCHER ANWÄLTE für Bau-, Miet- und Immobilienrecht e. V. – www.VBMI-Anwaltsverband.de – verwies.
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Helene – Monika Filiz
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