(Stuttgart) Der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) um eine Vorabentscheidung zur Vereinbarkeit seiner Auslegung von § 613a Abs. 1 BGB mit Unionsrecht ersucht.
Dabei geht es um die Wirkung einer zwischen dem Betriebsveräußerer und dem Arbeitnehmer einzelvertraglich vereinbarten Klausel, die dynamisch auf einen Tarifvertrag verweist, im Arbeitsverhältnis mit dem Betriebserwerber.

 

Darauf verweist der Stuttgarter Fachanwalt für Arbeitsrecht Michael Henn, Präsident des VDAA – Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, unter Hinweis auf die Mitteilung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 17.06.2015 zu seinem Beschluss vom selben Tage, Az. 4 AZR 61/14 (A).

 

Der Kläger ist seit 1978 als Hausarbeiter in einem Krankenhaus beschäftigt. Im Arbeitsvertrag ist eine Verweisung auf den Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter/Arbeiterinnen gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe vom 31. Januar 1962 (BMT-G II) und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge vereinbart. Träger des Krankenhauses war ursprünglich ein Landkreis, der Mitglied im kommunalen Arbeitgeberverband (KAV) war. Im Jahr 1995 wurde das Krankenhaus privatisiert und nunmehr von einer GmbH betrieben, die ebenfalls Mitglied im KAV war. Mit Blick auf eine geplante Ausgliederung schlossen die GmbH, deren Betriebsrat und die K. FM GmbH i.G. im Jahr 1997 einen Personalüberleitungstarifvertrag. Danach sollten „der BMT-G II in der jeweils geltenden Fassung einschließlich der diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge“ für die Arbeitsverhältnisse der Arbeiterinnen und Arbeiter „weiterhin“ bei dem Betriebserwerber Anwendung finden. Am 31. Dezember 1997 ging der Betriebsteil, in dem der Kläger beschäftigt war, auf die K. FM GmbH i.G. über, die nicht Mitglied im KAV war. In der Folgezeit wurde auf das Arbeitsverhältnis weiterhin der BMT-G II angewandt. Die K. FM GmbH gab allerdings die beiden tariflichen Lohnerhöhungen im Jahr 2004 nicht weiter. Mit Wirkung zum 1. Juli 2008 ging das Arbeitsverhältnis des Klägers auf die Beklagte über. Diese wandte auf das Arbeitsverhältnis weiterhin die Vorschriften des BMT-G II an. Mit seiner Klage hat der Kläger die Anwendung des TVöD-VKA und des TVÜ-VKA auf sein Arbeitsverhältnis begehrt. Er ist – anders als die Beklagte – der Auffassung, diese seien als den BMT-G II ersetzende Tarifverträge auf sein Arbeitsverhältnis dynamisch anwendbar. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben.

 

Der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts geht davon aus, dass der Erwerber eines Betriebsteils nach nationalem Recht aufgrund von § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB an eine arbeitsvertragliche Vereinbarung, die auf Tarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung Bezug nimmt und deren Regelungen aufgrund privatautonomer Willenserklärungen zum Inhalt des Arbeitsvertrags gemacht hat (sog. dynamische Bezugnahmeklausel), vertraglich so gebunden ist, als habe er diese Vertragsabrede selbst mit dem Arbeitnehmer getroffen. Im Wege des Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 AEUV soll geklärt werden, ob dieser Auslegung des nationalen Rechts unionsrechtliche Vorschriften – insbesondere Art. 3 der Richtlinie 2001/23/EG und Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – entgegenstehen. Für deren Auslegung ist allein der EuGH zuständig.

Der Senat hat dem Gerichtshof der Europäischen Union ein weiteres Verfahren mit den gleichen Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt (- 4 AZR 95/14 (A) -). Beklagte in dem dortigen Verfahren ist ein anderes Unternehmen desselben Konzerns. In vier weiteren Verfahren (- 4 AZR 59/14 -, – 4 AZR 60/14 -, – 4 AZR 85/14 – und – 4 AZR 96/14 -) hat der Senat den Rechtsstreit bis zur Entscheidung des EuGH in den Vorabentscheidungsverfahren – 4 AZR 61/14 (A) – und – 4 AZR 95/14 (A) – ausgesetzt.

Henn empfahl, die Entscheidung zu beachten und in Zweifelsfällen rechtlichen Rat einzuholen, wobei er u. a. dazu auch auf den VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. – www.vdaa.de – verwies.

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