(Stuttgart) Ein Klageverzicht in einem vom Arbeitgeber vorformulierten Aufhebungsvertrag unterliegt als Nebenabrede einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB.
Wird ein solcher formularmäßiger Klageverzicht in einem Aufhebungsvertrag erklärt, der zur Vermeidung einer vom Arbeitgeber angedrohten außerordentlichen Kündigung geschlossen wird, benachteiligt dieser Verzicht den Arbeitnehmer unangemessen iSv. § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, wenn ein verständiger Arbeitgeber die angedrohte Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte.
Darauf verweist der Stuttgarter Fachanwalt für Arbeitsrecht Michael Henn, Präsident des VDAA – Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, unter Hinweis auf die Mitteilung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 12.03.2015 zu seinem Urteil vom selben Tage, Az. 6 AZR 82/14.
Der Kläger war seit 2001 bei der Beklagten beschäftigt. Am 28. Dezember 2012 schlossen die Parteien einen schriftlichen Aufhebungsvertrag, wonach das Arbeitsverhältnis ohne Zahlung einer Abfindung mit dem 28. Dezember 2012 endete. Zuvor hatte die Beklagte dem Kläger mit einer außerordentlichen Kündigung und Strafanzeige gedroht, weil er aus ihrem Lagerbestand zwei Fertigsuppen ohne Bezahlung entnommen und verzehrt habe. Der Vertrag enthielt ua. einen Widerrufs- und Klageverzicht. Der auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findende Manteltarifvertrag für den Einzelhandel Nordrhein-Westfalen vom 25. Juli 2008 beinhaltet in § 11 Abs. 10 bei Aufhebungsverträgen ein Widerrufsrecht innerhalb von drei Werktagen, auf das allerdings schriftlich verzichtet werden kann. Noch am 28. Dezember 2012 focht der Kläger den Aufhebungsvertrag wegen widerrechtlicher Drohung an und begehrt im vorliegenden Rechtsstreit die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht. Die Androhung einer außerordentlichen Kündigung sei angesichts des langjährigen, unbelasteten Bestands des Arbeitsverhältnisses nicht vertretbar gewesen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr auf die Berufung des Klägers stattgegeben. Auf die Revision der Beklagten hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur weiteren Aufklärung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Auf die Wirksamkeit des Verzichts auf die tariflich eröffnete Widerrufsmöglichkeit kam es nicht an, weil der Kläger entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts innerhalb der Widerrufsfrist keinen Widerruf iSv. § 11 Abs. 10 MTV erklärt hat. Jedoch nimmt der im Aufhebungsvertrag vorgesehene Klageverzicht dem Kläger im Ergebnis die Möglichkeit, den Vertrag rechtlich durchsetzbar anzufechten. Das ist mit dem gesetzlichen Leitbild nur zu vereinbaren, wenn die Drohung mit der außerordentlichen Kündigung nicht widerrechtlich war. Im Ergebnis teilt damit die Klageverzichtsklausel das rechtliche Schicksal des Aufhebungsvertrags. Das Landesarbeitsgericht muss noch aufklären, ob eine widerrechtliche Drohung vorlag.
Henn empfahl, die Entscheidung zu beachten und in Zweifelsfällen rechtlichen Rat einzuholen, wobei er u. a. dazu auch auf den VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. – www.vdaa.de – verwies.
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