(Kiel) Verkehrsteilnehmer, die sich mit einem Kraftfahrzeug privat oder beruflich in das EU-Ausland begeben, müssen seit dem 27. Oktober 2010 damit rechnen, dass im EU-Ausland begangene Verkehrsverstöße in Deutschland weiterverfolgt und gegebenenfalls auch vollstreckt werden können.

 

Rechtlicher Hintergrund, so der Moerser Fachanwalt für Straf- und Verkehrsrecht Bertil Jakobson, Mitglied des VdVKA – Verband deutscher VerkehrsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Kiel sowie Vizepräsident des VdSRV-Verband deutscher StrafrechtsAnwälte und Strafverteidiger e. V. mit Sitz in Worms, ist die Umsetzung eines Rahmenbeschlusses des Europäischen Ministerrats vom 24. Februar 2005.

 

Am 28. Oktober 2010 ist das Gesetz zur Umsetzung dieses Rahmenbeschlusses in Kraft getreten. Danach gilt, dass nach dem 27. Oktober 2010 rechtskräftig gewordene Gerichtsentscheidungen bzw. nach dem 27. Oktober 2010 ergangene behördliche Entscheidungen gegebenenfalls in Deutschland vollstreckt werden können.

 

Die Vollstreckung für das gesamte Bundesgebiet übernimmt dabei das Bundesamt für Justiz als zentrale Bewilligungsbehörde. Buß- und Strafgelder aus dem EU-Ausland können nach Bewilligung durch das Bundesamt für Justiz in Deutschland vom Betroffenen nach Abschluss aller behördlichen Schritte eingefordert werden. Die Voraussetzungen für die Vollstreckung sind gesetzlich klar geregelt. Die meisten Kriterien sind dabei von Amts wegen zu berücksichtigen.

 

Daher sollten betroffene Fahrzeugführer Bußgelder und Strafgelder aus dem EU-Ausland, die ab dem Stichtag des 27. Oktober 2010 verhängt worden sind, keinesfalls auf die leichte Schulter nehmen und diese ggfs. unbeantwortet lassen oder „Knöllchen“ sofort wegschmeißen. In jedem Falle, so betont Jakobson, empfiehlt sich die Einholung anwaltlichen Rates, um Sicherheit darüber zu haben, ob mit einer Vollstreckung in Deutschland zu rechnen ist und was man gegen eine solche unternehmen könnte.

 

Rechtlich problematisch kann die Vollstreckung von Bußgeldern und Strafgeldern aus dem EU-Ausland zum Beispiel dann werden, wenn der Betroffene in dem ausländischen Verfahren keine Gelegenheit für den Einwand hatte, für die zu Grunde liegende Handlung nicht verantwortlich zu sein. Diese Konstellation liegt typischerweise dann vor, wenn die Behörde aus dem Betroffenen EU-Ausland eine so genannte Halterhaftung behauptet:

 

So wurde bereits im Jahre 1999 in Frankreich die Halterhaftung für Zuwiderhandlungen im fließenden Verkehr eingeführt, wonach der Halter für z.B. Abstandsverstöße und Geschwindigkeitsüberschreitungen haftbar gemacht werden kann, die er selbst gar nicht begangen hatte, sondern z.B. die Ehefrau, der Sohn, die Tochter etc. Ähnliches gilt z.B. für die Niederlande, in denen ebenfalls eine Halterhaftung prinzipiell möglich ist.

 

Gerade in den letztgenannten Fällen der Halterhaftung in Frankreich und den Niederlanden ist es unbedingt ratsam, anwaltlichen Rat einzuholen und bereits im laufenden Bußgeldverfahren des betroffenen EU-Landes den (schriftlichen) Einwand zu erheben, für die vorgeworfene Handlung nicht verantwortlich zu sein. Sofern dieser erhobene Einwand im später folgenden Vollstreckungsverfahren beim Bundesamt für Justiz in Deutschland dokumentiert wird, ist es in der Praxis häufig so, dass dann die Vollstreckung für unzulässig erklärt wird, weil die Halterhaftung gegen deutsches Recht verstößt.

 

Dies deswegen, weil die Halterhaftung nicht mit dem in Deutschland geltenden sog. Schuldprinzip zu vereinbaren ist, so Jakobson.

 

Bußgelder und Strafgelder aus dem EU-Ausland sollten im Ergebnis ernst genommen werden, weil deren Vollstreckung in Deutschland nunmehr prinzipiell möglich ist. Ob – und wenn ja -, wie man sich gegen solche Bescheide in Deutschland wehren kann, sollten Betroffene unbedingt von einem fachkundigen Rechtsanwalt klären lassen. Ansonsten droht möglicherweise eine kostenintensive Vollstreckung von „Knöllchen“ aus dem EU-Ausland am Wohnort des Betroffenen, die bei rechtzeitiger Beratung ggfs. hätten verhindert werden können.

Jakobson riet, dies zu beachten und in allen Zweifelsfällen unbedingt rechtlichen Rat in Anspruch zu nehmen, wobei er dabei u. a. auch auf den VdVKA – Verband deutscher Verkehrsrechtsanwälte e. V. – www.vdvka.de– verwies.

 

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Bertil Jakobson

Rechtsanwalt /

Fachanwalt für Verkehrsrecht /

Fachanwalt für Strafrecht
Mitglied des VdVKA – Verband Deutscher VerkehrsrechtsAnwälte e. V., sowie

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