(Kiel) Der u.a. für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat soeben entschieden, dass das Erlöschen einer Hauptlizenz in aller Regel nicht zum Erlöschen daraus abgeleiteter Unterlizenzen führt.

Der Bundesgerichtshof hatte sich in zwei Verfahren mit dieser Thematik zu befassen, die von großer wirtschaftlicher Bedeutung ist, weil bislang das Schicksal der Unterlizenz im Falle der Insolvenz des Hauptlizenznehmers umstritten ist.

Darauf verweist der Frankfurter Rechtsanwalt und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz Dr. Jan Felix Isele von der Kanzlei DANCKELMANN UND KERST, Vizepräsident der DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. mit Sitz in Kiel, unter Hinweis auf die entsprechende Mitteilung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 19.07.2012 zu seinen Urteilen vom gleichen Tage, Az. I ZR 70/10 – M2Trade und I ZR 24/11 – Take Five.

In dem einen Rechtsstreit geht es um die Nutzungsrechte an einem Computerprogramm:

Die Klägerin ist Inhaberin ausschließlicher Nutzungsrechte an dem Computerprogramm „M2Trade“. Sie hat einem anderen Unternehmen (Hauptlizenznehmerin) gegen fortlaufende Zahlung von Lizenzgebühren Nutzungsrechte an der Software eingeräumt. Dieses Unternehmen hat seinerseits einem dritten Unternehmen (Unterlizenznehmerin) – unter Einschaltung eines weiteren Unternehmens – ein einfaches Nutzungsrecht an dem Programm eingeräumt. Die Klägerin hat der Hauptlizenznehmerin, nachdem sie von ihr keine Zahlungen mehr erhalten hatte, die Kündigung des Lizenzvertrages zum 30. Juni 2002 erklärt. Der Beklagte ist Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Unterlizenznehmerin.

Die Klägerin ist der Ansicht, aufgrund der Kündigung des Vertrages mit der Hauptlizenznehmerin sei nicht nur das ausschließliche Nutzungsrecht der Hauptlizenznehmerin an dem Computerprogramm an sie zurückgefallen, sondern auch die davon abgeleiteten Nutzungsrechte einschließlich des der Unterlizenznehmerin eingeräumten einfachen Nutzungsrechts. Der Beklagte habe das Programm daher seit dem 1. Juli 2002 unbefugt genutzt und damit das daran bestehende Urheberrecht verletzt. Die Klägerin hat den Beklagten unter anderem auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben.

In dem anderen Verfahren geht es um das Verlagsrecht an einer Komposition:

Die Klägerin ist Inhaberin der weltweiten Nutzungsrechte an der Komposition „Take Five“ des Komponisten Paul Desmond. Sie räumte einem Musikverlag die ausschließlichen Musikverlagsrechte für Europa ein. Die Hauptlizenznehmerin räumte der Rechtsvorgängerin des Beklagten die ausschließlichen Subverlagsrechte für Deutschland und Österreich ein. Im Jahr 1986 vereinbarte die Klägerin mit der Hauptlizenznehmerin, dass sämtliche gegenseitigen Verpflichtungen aus dem Verlagsvertrag betreffend das Musikwerk „Take Five“ beendet sind.

Die Klägerin ist der Ansicht, mit der Aufhebung des Hauptlizenzvertrages und dem Erlöschen der Hauptlizenz sei auch die Unterlizenz des Beklagten erloschen. Die Klägerin hat unter anderem die Feststellung beantragt, dass der Beklagte nicht mehr Inhaber der Musikverlagsrechte an dem Werk „Take Five“ für Deutschland und Österreich ist. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen.

Der Bundesgerichtshof hat in beiden Verfahren die Revision der jeweiligen Klägerin zurückgewiesen, so Dr. Isele.

Der Bundesgerichtshof hat bereits mit dem Urteil „Reifen Progressiv“ vom 26. März 2009 (I ZR 153/06, BGHZ 180, 344) in einem Fall, in dem der Hauptlizenznehmer dem Unterlizenznehmer ein einfaches Nutzungsrecht gegen Zahlung einer einmaligen Lizenzgebühr eingeräumt hatte und die Hauptlizenz aufgrund eines wirksamen Rückrufs des Nutzungsrechts durch den Urheber wegen Nichtausübung (§ 41 UrhG) erloschen war, entschieden, dass das Erlöschen der Hauptlizenz nicht zum Erlöschen der Unterlizenz führt. Er hat nunmehr entschieden, dass das Erlöschen der Hauptlizenz auch in den Fällen nicht zum Erlöschen der Unterlizenz führt, in denen der Hauptlizenznehmer dem Unterlizenznehmer ein einfaches Nutzungsrecht gegen fortlaufende Zahlung von Lizenzgebühren („M2Tade“) oder ein ausschließliches Nutzungsrecht gegen Beteiligung an den Lizenzerlösen („Take Five“) eingeräumt hat und die Hauptlizenz nicht aufgrund eines Rückrufs wegen Nichtausübung, sondern aus anderen Gründen erlischt – wie hier aufgrund einer wirksamen Kündigung des Hauptlizenzvertrages wegen Zahlungsverzugs („M2Trade“) oder aufgrund einer Vereinbarung über die Aufhebung des Hauptlizenzvertrages („Take Five“).

Im gewerblichen Rechtsschutz und im Urheberrecht gilt der Grundsatz des Sukzessionsschutzes (§ 33 UrhG, § 30 Abs. 5 MarkenG, § 31 Abs. 5 GeschmMG, § 15 Abs. 3 PatG, § 22 Abs. 3 GebrMG). Er besagt unter anderem, dass ausschließliche und einfache Nutzungsrechte wirksam bleiben, wenn der Inhaber des Rechts wechselt, der das Nutzungsrecht eingeräumt hat. Zweck des Sukzessionsschutzes ist es, das Vertrauen des Rechtsinhabers auf den Fortbestand seines Rechts zu schützen und ihm die Amortisation seiner Investitionen zu ermöglichen. Eine Abwägung der typischerweise betroffenen Interessen ergibt – so der Bundesgerichtshof -, dass das vom Gesetz als schutzwürdig erachtete Interesse des Unterlizenznehmers an einem Fortbestand der Unterlizenz das Interesse des Hauptlizenzgebers an einem Rückfall der Unterlizenz im Falle des Erlöschens der Hauptlizenz in aller Regel überwiegt. Das Interesse des Hauptlizenzgebers ist weitgehend gewahrt, da er den Hauptlizenznehmer nach dem Erlöschen der Hauptlizenz auf Abtretung seines Anspruchs gegen den Unterlizenznehmer auf Zahlung von Lizenzgebühren in Anspruch nehmen kann. Der Fortbestand der Unterlizenz beim Wegfall der Hauptlizenz führt damit nicht zu der unbilligen Konsequenz, dass der nicht mehr berechtigte Hauptlizenznehmer von Lizenzzahlungen des Unterlizenznehmers profitiert und der wieder berechtigte Hauptlizenzgeber leer ausgeht. Der Unterlizenznehmer kann die Ursache für die außerordentliche Auflösung des zwischen dem Hauptlizenzgeber und dem Hauptlizenznehmer geschlossenen Vertrags und die vorzeitige Beendigung des früheren Nutzungsrechts regelmäßig weder beeinflussen noch vorhersehen. Er würde durch den vorzeitigen und unerwarteten Fortfall seines Rechts oft erhebliche wirtschaftliche Nachteile erleiden, die sogar zur Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz führen können, wenn er auf den Bestand der Lizenz angewiesen ist.

Rechtsanwalt Dr. Isele empfahl, dies zu beachten und in allen Zweifelsfragen auf jeden Fall Rechtsrat einzuholen, wobei er in diesem Zusammenhang u. a. auch auf die DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. – www.mittelstands-anwaelte.de – verwies.

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