(Freiburg) Das Landgericht Freiburg hatte sich mit widersprüchlichen und unklaren Bestimmungen zur Einspruchsfrist gegen Spielwertungen im Fußballsport zu befassen und hob widersprechende Entscheidungen der Sportgerichte auf.

Darauf verweist der Münchner Rechtsanwalt Prof. Dr. Christian Quirling, Leiter des Fachausschusses „Sportrecht“ des VDA – VERBAND DEUTSCHER ANWÄLTE e. V. mit Sitz in Stuttgart, unter Hinweis auf eine Entscheidung des Landgerichts Freiburg vom 15.05.2012 (Az. 14 O 46/12).

Der klagende Fußballverein setzte in insgesamt sechs Meisterschaftsspielen einen Spieler ein, dessen Spielerpass kein vorgeschriebenes Lichtbild hatte und von ihm auch nicht eigenhändig unterzeichnet war. Umstritten war, ob den jeweiligen Schiedsrichtern die Identität des Spielers anderweitig bekannt gemacht wurde. In der Folge wurde von Seiten der spielleitenden Stelle des beklagten Fußball-Verbandes Einspruch gegen die insgesamt sechs Spielwertungen erhoben. Das Sportgericht erachtete die Einsprüche in erster Instanz als zulässig und inhaltlich begründet, hob die Spielwertungen auf und wertete die Spiele dahingehend um, dass der Kläger alle Spiele mit 0:3 Toren und 0 Punkten verloren habe. Die durch den Kläger hiergegen geführte Berufung zum Verbandsgericht des Fußballverbandes blieb ebenfalls erfolglos.

Der klagende Verein wandte sich nach Abschluss des verbandsinternen Instanzenzuges an das staatliche Gericht und rügte dort vor allem die Unbestimmtheit und Widersprüchlichkeit der einschlägigen Bestimmungen. So heißt es unter § 15 Nrn. 3 und 4 der Rechts- und Verfahrensordnung des Verbands:

Der Einspruch ist beim Vorsitzenden des Sportgerichts einzulegen. Die Bestimmungen des § 14 Ziffer 2 und 3 gelten entsprechend. … Die Einspruchsfrist beginnt am Tag nach dem Spiel.

In den Fällen der Ziffer 2 a steht das Recht des Einspruchs auch der spielleitenden Stelle nach Rücksprache mit dem zuständigen Staffelleiter innerhalb der Verjährungsfrist zu.

und weiter in der unter Nr. 3 in Bezug genommenen Vorschrift des § 14 Nr. 2

Die Berufung ist schriftlich innerhalb von sieben Tagen ab Zustellung des Urteils beim Spruchorgan erster Instanz oder beim Verbandsgericht mit Begründung einzureichen.

Demgegenüber lautet § 10 Nr. 4 der Rechts- und Verfahrensordnung

Spielt ein Spieler ohne Spiel- oder Einsatzberechtigung, so kann die Spielwertung für die Spiele, die mehr als neun Monate nach Einleitung des Verfahrens zurückliegen, nicht mehr geändert werden.

Die spielleitende Stelle legte unter Berufung auf § 10 Nr. 4 der Rechts- und Verfahrensordnung erst vierzehn Tage nach dem letzten Spiel, das unter Mitwirkung des betreffenden Spielers erfolgte, Einspruch gegen die Spielwertungen ein. Der klagende Verein war hingegen der Ansicht, dass auch für die spielleitende Stelle die siebentätige Frist des § 14 Nr. 2 gelte. Jedenfalls seien die Bestimmungen ungenau und widersprüchlich. Dem folgte das Landgericht Freiburg, so Sportrechtler Prof. Quirling.

Zunächst legte es hierbei – dogmatisch eindrucksvoll – die Grundsätze zum Prüfungsmaßstab staatlicher Gerichte in Bezug auf vereinsgerichtliche Maßnahmen dar.

„Vereinsrechtliche Maßnahmen unterliegen der Kontrolle durch staatliche Gerichte. Die Kontrolldichte ist allerdings in Anerkennung der Vereinsautonomie begrenzt. Reichsgericht und Bundesgerichtshof haben in ständiger Rechtsprechung insofern vereinsrechtliche Disziplinarmaßnahmen nur einer Kontrolle durch die staatlichen Gerichte unterworfen, die sich darauf erstreckt, ob die verhängte Maßnahme eine Stütze im Gesetz oder in der Satzung hat, ob das satzungsmäßige Verfahren beachtet worden ist, sonst keine Satzungsverstöße vorgekommen sind und ob die Maßnahme nicht grob unbillig oder willkürlich ist (vgl. BGHZ 102, 265; BGHZ 87, 337, 343 m.w.N.). Das schließt eine Inhaltskontrolle auf die Angemessenheit dieser Satzungsgrundlage unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ein (vgl. BGH NJW 1995, 583, 587; BGHZ 105, 306, 318). Insbesondere unterliegen die Ordnungsmäßigkeit des vereinsgerichtlichen Verfahrens, die Vereinbarkeit der Vereinsstrafe mit Gesetz und Satzung sowie die zugrunde gelegte Tatsachenfeststellung der Kontrolle durch das staatliche Gericht (vgl. BGHZ 87, 337, 343; BGH NJW-RR 1992, 246; NJW 1997, 3368; OLG Hamm NJW-RR 2001, 1480). Die Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter die Vereinsstrafenbestimmungen kann nur in den vorgenannten Grenzen gerichtlich überprüft werden, weil der Verein insoweit in Ausübung seiner Verbandsautonomie (Art. 9 GG) eigenverantwortlich handelt (BGHZ 47, 381, 384; BGHZ 87, 337, 345; BGH NJW 1997, 3368). Überprüft wird jedoch stets, ob die Vereinsstrafe grob unbillig oder willkürlich ist.

Dieser beschränkte Prüfungsmaßstab ist auszuweiten, wenn Vereinigungen eine überragende Machtstellung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich zukommt. Den örtlichen Verhältnissen entsprechend muss der Kläger Mitglied des Beklagten sein, wenn er einen wettkampfmäßigen Fußballsport mit anderen – ebenfalls im Beklagten organisierten – Vereinen auf Bezirksligaebene betreiben will. Dem Beklagten kommt somit eine zwar lokal begrenzte, örtliche, dort aber an eine Monopolstellung reichende Bedeutung zu. Dem Beurteilungs- oder Ermessensspielraum des Beklagten sind daher umso engere Grenzen gesetzt, je wichtiger für den Betroffenen die Strafentscheidung des Vereins ist (vgl. BGH, Urt. v. 19.10.1987 – II ZR 43/87 -, BGHZ102, 265-280).“

Anschließend strafte es den beklagten Fußballverband in der Sache ab:

„§ 15 Ziffer 4 S. 1 RuVO erweitert (nur!) „in den Fällen der Ziffer 2 a“ den Kreis der Einspruchsbefugten auf die „spielleitende Stelle“, wenn diese „Rücksprache mit dem zuständigen Staffelleiter“ gehalten hat. § 15 Ziffer 4 S. 1 RuVO erwähnt nicht, dass der weiteren Einspruchsbefugten auch eine eigenständige – längere – Einspruchsfrist gewährt wird (s.o.). … Dass die Regelung des § 15 Ziffer 4 S. 1 RuVO zu unbestimmt ist, ist nicht nur für das Gericht offensichtlich. Es ist gerichtsbekannt, dass selbst ein erstinstanzliches Sportgericht des Beklagten die von dem Beklagten begehrte Auslegung einer neunmonatigen Einspruchsfrist nicht nachvollziehen konnte und deshalb einen Einspruch der spielleitenden Behörde als unzulässig verworfen hat (vgl. Tatbestand des Urteils des Landgerichts Freiburg vom 28.09.2009 – 6 O 177/09 -). Da die Regelung des § 15 Ziffer 4 RuVO in dieser Hinsicht nicht hinreichend bestimmt ist und mit den verhängten Spielwertungen gegen das Willkürverbot selbst dann verstoßen wurde, wenn bislang sämtliche Entscheidungen des Beklagten unter Anwendung der neunmonatigen Einspruchsfrist in Rechtskraft erwachsen sind, sind die streitgegenständlichen Spielwertungen unwirksam.“

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