(Stuttgart) Das Bundesarbeitsgericht hat am 6. Oktober 2011 einen Rechtsstreit entschieden, in dem um eine Insolvenzanfechtung von Lohnzahlungen ging.

Darauf verweist der Stuttgarter Fachanwalt für Arbeitsrecht Michael Henn, Präsident des VdAA – Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, unter Hinweis auf die Mitteilung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 06.10.2011 zum Urteil vom gleichen Tage – 6 AZR 262/10 -.

Die Insolvenzordnung sieht in den §§ 129 ff. InsO die Anfechtung von Rechtshandlungen durch den Insolvenzverwalter vor, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Gläubiger benachteiligen, soweit nicht das redliche Vertrauen darauf, dass vor der Insolvenzeröffnung erfolgte Verfügungen des Schuldners Bestand haben, für schutzwürdig angesehen wird. § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO regelt ua., dass eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Befriedigung gewährt hat, anfechtbar ist, wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war und der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte. Gemäß § 130 Abs. 2 InsO steht der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen. Nach § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO ist ua. eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO wird diese Kenntnis vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Bargeschäfte sind nach § 142 InsO nur unter den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar. Was durch anfechtbare Handlung erlangt ist, muss gemäß § 142 Abs. 1 Satz 1 InsO zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden.

Der Beklagte ist Insolvenzverwalter in einem am 10. September 2007 aufgrund eines Antrags vom 10. Juli 2007 eröffneten Insolvenzverfahren. Der Kläger war bei der Schuldnerin seit dem 13. November 2003 als handwerklicher Betriebsleiter beschäftigt. Ab 2006 geriet die Schuldnerin mit den Lohn- und Gehaltszahlungen in Rückstand. Am 4. Mai 2007 erhielt der Kläger Gehalt für Januar 2007 iHv. 900,00 Euro netto und am 7. Mai 2007 iHv. 310,12 Euro netto. Ebenfalls am 7. Mai 2007 zahlte ihm die Schuldnerin Gehalt für Februar 2007 iHv. 2.342,19 Euro netto und am 10. Mai 2007 Gehalt für März 2007 iHv. 2.310,89 Euro netto. Der Beklagte focht mit einem Schreiben vom 1. Oktober 2007 diese Gehaltszahlungen iHv. insgesamt 5.863,20 Euro netto an und forderte den Kläger ohne Erfolg auf, die erhaltenen Beträge zur Insolvenzmasse zurückzuerstatten. Mit seiner Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass er den vom Beklagten beanspruchten Betrag nicht zurückzahlen muss. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben.

Die Revision des Beklagten hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg, so Henn.

Soweit die Gehaltszahlungen der Schuldnerin im Mai 2007 der Vergütung der vom Kläger in den vorausgehenden drei Monaten erbrachten Arbeitsleistungen dienten, unterlagen sie als Bargeschäft iSv. § 142 InsO nicht der Anfechtung nach § 130 Abs. 1 InsO, weil noch der erforderliche enge zeitliche Zusammenhang mit der Gegenleistung bestand. Im Übrigen war die Annahme des Landesarbeitsgerichts revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, der Beklagte habe keine Tatsachen vorgetragen, aus denen eine positive Kenntnis des Klägers von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bei den Gehaltszahlungen im Mai 2007 abgeleitet werden könnte. Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht auch die Kenntnis des Klägers von Umständen verneint, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin schließen ließen. Die Kenntnis des Klägers von der zeitlichen Dauer und Höhe der eigenen Gehaltsrückstände sowie von dem Umstand, dass die Schuldnerin gegenüber einem Großteil der anderen Arbeitnehmer seit mehreren Monaten mit Vergütungszahlungen in Rückstand geraten war, war dafür unzureichend. Sie ließ noch kein eindeutiges Urteil über die Liquiditäts- und Zahlungslage der Schuldnerin zu. Bei seiner Würdigung durfte das Landesarbeitsgericht berücksichtigen, dass der Kläger keinen Einblick in die Finanzbuchhaltung der Schuldnerin hatte, dass er keine Leitungsaufgaben im kaufmännischen Bereich wahrgenommen hatte und dass der Schuldnerin Material noch auf Rechnung geliefert worden war.

Ebenso wenig war es revisionsrechtlich zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht auch die Kenntnis des Klägers von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 133 Abs. 1 Satz 2 InsO) verneint hat.

Henn empfahl, die Entscheidung zu beachten und in Zweifelsfällen rechtlichen Rat einzuholen, wobei er u. a. dazu auch auf den VdAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. – www.vdaa.de – verwies.

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