(Stuttgart) Einer schwangeren Arbeitnehmerin muss eine angemessene Frist eingeräumt werden, um ihre Kündigung vor Gericht anfechten zu können. Eine Frist von zwei Wochen für den Antrag auf Zulassung einer verspäteten Klage scheint zu kurz zu sein.

Darauf verweist der Stuttgarter Fachanwalt für Arbeitsrecht Michael Henn, Präsident des VDAA – Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, unter Hinweis auf die Mitteilung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 27.06.2024 zu seinem Urteil in der Rechtssache C-284/23 | Haus Jacobus.

Eine Angestellte eines Pflegeheims ficht ihre Kündigung vor einem deutschen Arbeitsgericht an. Sie beruft sich auf das Verbot, einer Schwangeren zu kündigen. Das Arbeitsgericht ist der Auffassung, dass es die Klage normalerweise als verspätet abweisen müsse.

Als die Arbeitnehmerin von ihrer Schwangerschaft Kenntnis erlangt und die Klage erhoben habe, sei nämlich die im deutschen Recht vorgesehene ordentliche Frist – drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung – bereits verstrichen gewesen. Überdies habe die Arbeitnehmerin es versäumt, innerhalb der im deutschen Recht vorgesehenen weiteren Frist von zwei Wochen einen Antrag auf Zulassung der verspäteten Klage zu stellen.

Das Arbeitsgericht fragt sich jedoch, ob die in Rede stehende deutsche Regelung mit der Richtlinie über schwangere Arbeitnehmerinnen vereinbar ist. Es hat daher den Gerichtshof dazu befragt.

Der Gerichtshof stellt fest, dass nach der deutschen Regelung eine schwangere Arbeitnehmerin, die zum Zeitpunkt ihrer Kündigung Kenntnis von ihrer Schwangerschaft hat, über eine Frist von drei Wochen verfügt, um eine Klage zu erheben.

Dagegen verfügt eine Arbeitnehmerin, die aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund vor Verstreichen dieser Frist keine Kenntnis von ihrer Schwangerschaft hat, nur über zwei Wochen, um zu beantragen, eine solche Klage erheben zu können.

Nach Auffassung des Gerichtshofs scheint eine so kurze Frist, insbesondere verglichen mit der ordentlichen Frist von drei Wochen, mit der Richtlinie unvereinbar zu sein. In Anbetracht der Situation, in der sich eine Frau zu Beginn ihrer Schwangerschaft befindet, scheint diese kurze Frist nämlich dazu angetan, es der schwangeren Arbeitnehmerin sehr zu erschweren, sich sachgerecht beraten zu lassen und gegebenenfalls einen Antrag auf Zulassung der verspäteten Klage sowie die eigentliche Klage abzufassen und einzureichen.

Es ist jedoch Sache des Arbeitsgerichts, zu prüfen, ob dies tatsächlich der Fall ist.

Henn empfahl, die Entscheidung zu beachten und in Zweifelsfällen rechtlichen Rat einzuholen, wobei er u. a. dazu auch auf den VDAA-Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. – www.vdaa.de – verwies.

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Michael Henn
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