(Stuttgart) Die meisten Landesverordnungen zur Eindämmung des Corona-Virus sehen Abstandsgebote vor. Werden diese nicht eingehalten, droht ein Bußgeld. Aber kann ein Arbeitnehmer bei einem Verstoß auch gekündigt werden?

 

Ein aktuelles Verfahren bewertet der Hamburger Fachanwalt für Arbeitsrecht Prof. Dr. Michael Fuhlrott.

 

Abstandsgebote und Maskenpflicht sind zwei zentrale Vorgaben zur Eindämmung des Corona-Virus. Nahezu alle landesgesetzlichen Verordnungen sehen daher entsprechende Regelungen vor. Wird hiergegen verstoßen, droht ein Bußgeld. Ob der Arbeitgeber aber auch einem Arbeitnehmer, der gegen diese Regelungen verstößt, kündigen darf, hatte das Arbeitsgericht Osnabrück zu beurteilen (Az.: 2 Ca 143/20).

 

Posting bei WhatsApp „Quarantäne bei mir“

 

Streitgegenständlich zwischen den Arbeitsvertragsparteien war eine fristlose außerordentliche Kündigung des Arbeitgebers. Dieser hatte den seit März 2018 als Techniker beschäftigten Arbeitnehmer gekündigt, da dieser am 23.03.2020 auf seinem privaten WhatsApp-Profil ein Foto gepostet hatte, das die Unterschriftszeile „Quarantäne bei mir“ trug. Das Foto zeigte den Arbeitnehmer in Selfie-Position mit 5 weiteren Männern im engen Kreis auf dem Boden einer Wohnung sitzend, zum Teil beim Kartenspiel. Das Foto war in der Freizeit des Arbeitnehmers entstanden. Rückschlüsse auf den Arbeitgeber konnten aus dem Foto ebenfalls nicht hergeleitet werden. Der Arbeitnehmer trug also insbesondere keine Dienstkleidung.

 

Der Arbeitgeber sah hierin gleichwohl eine erhebliche Pflichtverletzung und kündigte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos. Der Arbeitgeber hielt die weitere Zusammenarbeit für unzumutbar, da sie davon ausgehen müsse, dass der Kläger die angeordneten Corona-Schutzmaßnahmen nicht ernst nehmen und keinerlei Bereitschaft zeige, sich an diese zu halten. Der Arbeitgeber hatte zudem darauf hingewiesen, dass im Betrieb beschäftigte Risikopersonen geschützt werden müssten.

 

Keine Entscheidung in der Sache

 

In der Güteverhandlung konnten die Parteien sich auf keine Einigung verständigen. In der Kammerverhandlung am 8.7.2020 verständigten sich die Parteien hingegen auf eine vergleichsweise Beendigung des Rechtsstreits.

 

Die Frage, ob ein Arbeitgeber wegen Verletzung der Corona-Abstandsregelungen in der Freizeit einen Arbeitnehmer kündigen darf, bleibt damit gerichtlich vorerst ungeklärt.

 

Außerdienstliches Verhalten grundsätzlich arbeitsrechtlich irrelevant

 

„Wie sich der Arbeitnehmer in der Freizeit verhält, ist grundsätzlich seine Sache“, erläutert Prof. Dr. Michael Fuhlrott. „Selbst Straftaten in der Freizeit des Arbeitnehmers bleiben arbeitsrechtlich regelmäßig ohne Konsequenz. Ein außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers hat nur dann Folgen, wenn es auf das Arbeitsverhältnis ausstrahlt oder ein Bezug zum Arbeitgeber hergestellt wird“, so Fuhlrott weiter.

 

„Der vorliegende Fall ist sicherlich grenzwertig“, so Fuhlrott. „Hier kann der Arbeitgeber durchaus davon ausgehen, dass der Arbeitnehmer auch betriebliche Schutzmaßnahmen womöglich missachtet und dadurch die Gesundheit von Kolleginnen und Kollegen riskiert.“ Gleichwohl sieht Fuhlrott den Ausspruch einer fristlosen Kündigung als kritisch an: „Eine Kündigung als schärfestes Mittel darf nur dann gewählt werden, wenn alle anderen Optionen wie z.B. eine Abmahnung ausgeschöpft sind. Vorliegend hätte es sich auch womöglich angeboten, den Arbeitnehmer zur Vorlage eines ärztlichen Attestes aufzufordern und ihn solange – ggf. auch unbezahlt – von der Arbeit freizustellen.“

 

Fuhlrott empfiehlt Arbeitgebern und Arbeitnehmern bei der Beurteilung der arbeitsrechtlichen Relevanz von Fehlverhaltensweisen im außerdienstlichen Bereich vor einer Kündigung Rechtsrat einzuholen, wobei er u. a. dazu auch auf den VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. – www.vdaa.de – verweist.

 

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