Definition, Formen sowie Rechtsfolgen
Die Abnahme stellt einen besonders zentralen Begriff des Werkvertrages dar. Mehrfache einschneidende Rechtsfolgen sind an das Moment der Abnahme geknüpft. Gravierend ist die Zäsur zwischen Erfüllungsstadium einerseits und Abwicklungsstadium (vertraglichen, gesetzlichen Haftungen) andererseits.
Nicht nur Haftungsansprüche, sondern vielmehr auch die Frage der Fälligkeit des Anspruchs auf Werklohn, sind an den Abnahmebegriff gebunden. Gleichwohl man meint, dieser Rechtsbegriff definiere sich aus sich selbst, so stellt sich in der Praxis das Gegenteilige heraus.
Praktisch stellt die Abnahme in einer Vielzahl von gerichtlichen Auseinandersetzungen einen zentralen Streitpunkt da.
Dazu sei beispielhaft in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des OLG Hamm vom 30.04.2019 (OLG Hamm NZBau 2019, 709 = NJW 2019, 3240) hingewiesen. Diese Entscheidung ist schon deswegen von besonderer Bedeutung, weil sie sich mit den verschiedenen Aspekten und Rechtsfolgen, sowie den praktischen Fragen, die im Zusammenhang mit der Abnahme entstehen können, auseinandersetzt.
Der Senat hat die dementsprechend einschlägige Literatur und Rechtsprechung in besonders sorgsamer Art und Weise einer Auswertung zugeführt. Dem Rechtsanwalt, der sich im Baurecht mit werkvertraglichen Fragestellungen zu befassen hat, sei diese Entscheidung daher in besonderem Maße zur Lektüre anempfohlen.
Nachstehend wird versucht werden, die wesentlichen Gedankenstellungen des OLG Hamm zusammen zu fassen und für die baurechtliche Praktisch verständlich wieder zu geben.
Der dem OLG Hamm zur Entscheidungsfindung vorgelegte Sachverhalt stellt sich wie folgt dar:
Die Parteien hatten einen Bauvertrag geschlossen. In dem Bauvertrag wurde die Geltung der VOB/B vereinbart. Darüber hinaus wurde die förmliche Abnahme der Bauleistung zum Vertragsgegenstand erhoben.
Die Beklagte (die Auftraggeberin) lehnte die Abnahme der ausgeführten Arbeiten wegen diverser Mängel ab. Insoweit kam es, in der Folge Zeit, zu Streitigkeiten hinsichtlich des Umstandes, ob Mängel vorliegen und ob diese zwischenzeitlich einer ordnungsgemäßen Beseitigung zugeführt worden seien.
Streitig wurde infolgedessen, ob die zwischenzeitlich erteilte Schlussrechnung der Klägerin fällig und zu bezahlen sei. Die Beklagte hatte die geprüfte Schlussrechnung zusammen mit einem Mängelprotokoll an die Klägerin zurückgesandt. Gleichzeitig machte sie Gegenforderungen aus einer von ihr durchgeführten Ersatzvornahme sowie aus verspäteter Fertigstellung geltend.
Das Landgericht hatte zunächst die von der Klägerin erhobene Werklohnklage als unbegründet abgewiesen. Begründet wurde die Entscheidung dahingehend, dass die geltendgemachten Forderungen nicht fällig sei, da keine Abnahme erfolgt sei. (LG Münster, Urteil vom 08.12.2017 22 O 132/13, BeckRS 2017,157114). Hiergegen wurde Berufung eingelegt, die allerdings – das Ergebnis sei vorweggenommen – erfolglos geblieben war.
I. Entscheidung des OLG Hamm NZ Bau 2019, 709
Im Ansatz geht der Senat davon aus, dass die vertragliche Vereinbarung einer förmlichen Abnahme vorrangig ist. Daraus folgt, dass die Abnahmefiktion nach § 12 Nr. 5 VOB/B 2009 und auch eine konkludente Abnahme ausgeschlossen wird (Jansen in Leinemann, VOB/B, 7 Auflage 2019, § 12 Nr. 18).
Aufgrund dieser vertraglichen Vereinbarung müsse die förmliche Abnahme auch nicht gesondert begehrt werden. Rechtsfolge hieraus ist weiterhin, dass auch eine fiktive Abnahme nach Maßgabe ist § 12 Nr. VOB/B 2009 an dem Vorrang einer anderweitigen vertraglichen Vereinbarung (nämlich der förmliche Abnahme) scheitert. Aus diesen gedanklichen Überlegungen folgt alsdann weiterhin, dass eine später erfolgte konkludente Abnahme, infolge der Nutzung schon deshalb nicht angenommen werden könne, weil die Parteien die Billigung des Werks ausdrücklich an die förmliche Abnahme geknüpft haben.
Man kann aus der Sicht des Praktikers dahingehend zusammenfassen, dass bei einer vertraglich vereinbarten förmlichen Abnahme, die anderweitigen Abnahmeformen grundsätzlich zurücktreten müssen, mithin an dieser Vereinbarung „scheitern“.
Allerdings könnten die Parteien nachträglich auf das Erfordernis der förmlichen Abnahme ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten verzichten. Von einem stillschweigenden Verzicht könne man allerding dann nicht ausgehen, wenn der Besteller eine Vielzahl von Mängeln gerügt habe.
Die Untätigkeit des Bestellers nach Beseitigung eines Teils der Mängel, lasse jedenfalls unter den genannten Umständen nicht darauf schließen, dass die Beklagte auf die vereinbarte förmliche Abnahme verzichten wollte.
Darauf stellt sich dann noch die Frage, ob von einer konkludenten Vereinbarung einen Verzicht bzw. ein Absehen von der förmlichen Abnahme beinhaltend, im konkreten Fall angenommen werden könnte.
Der Umstand alleine, dass der Auftraggeber erst mehrere Monate nach Erhalt der Schlussrechnung die Rechnungsprüfung durchgeführt habe, ohne auf die unterbliebene förmliche Abnahme einzugehen, könnte möglicherweise einen konkludenten Verzicht auf die Abnahme darstellen.
Dies war in dem vorliegenden Fall allerdings zu verneinen, da ein erheblicher Teil die gerügten Mängel noch nicht beseitigt und über die bisherigen Mängel Beseitigungsarbeiten ein Privatgutachten beauftragt worden war. Bis zu dessen Vorlage konnte man nicht auf einen Verzichtswillen im Hinblick auf die ausdrückliche Abnahme durch konkludentes Verhalten geschlossen werden.
Der Senat entschied weiterhin, dass von einer Entbehrlichkeit der Abnahme annehmen könnte, sofern sich Schuldverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis umgewandelt habe.
Grundsätzlich entsteht ein Abrechnungsverhältnis, wenn der Auftraggeber seinerseits deutlich macht, dass er vom Auftragnehmer endgültig keine weiteren Leistungen mehr erwarte und eine endgültige Abrechnung des Vertragsverhältnisses wünsche. Dies könne dann der Fall sein, wenn sich nur noch der Restwerklohnanspruch einerseits sowie Minderungs- oder Schadensersatzansprüche andererseits gegenüberstünden.
Dies war vorliegend nicht gegeben, da die Beklagt zu keinem Zeitpunkt endgültig auf die mangelfreie Fertigstellung des Werks durch die Klägerin verzichtet habe.
Abnahmereife bedingt keine Fälligkeit
Das Gericht entschied dahingehend, dass der Restwerklohn Anspruch der Klägerin auch nicht wegen fehlender Abnahmereife des Werkes fällig sei.
Der Unternehmer müsse zwar nicht, wenn die Werkleistung abnahmereif ist, auf Abnahme klagen. Vielmehr kann er unmittelbar und sofort sein Restvergütungsanspruch geltend machen. Allerdings hat dieser Vergütungsanspruch die Voraussetzung, dass die Leistung mangelfrei ist. Lediglich unwesentliche Mängel würden hiergegen keine Einwendung darstellen. Dies habe im Streitfall der Unternehmer zu beweisen.
Die Klägerin hatte in diesem Verfahren eingewandt, dass die Beklagte sich wegen der Verjährung Ihrer Fertigstellungsansprüche nicht mehr auf wesentliche Mängel berufen könne. Gegenüber wandte die Klägerin mit Erfolg ein, dass der Beklagten vor Abnahme der Erfüllungsanspruch nach § 631 Absatz 1 BGB zustehe.
Dieser Erfüllungsanspruch nach Maßgabe des § 631 Absatz 1 BGB verjährt in der Regelfrist, also unabhängig von der Kenntnis hierüber grundsätzlich nach drei Jahren zum Jahresende § 195, 199 BGB (OLG Karlsruhe Beck RS 2018 17599 = Baurecht 2019, 266).
Demgegenüber verjährt der Nacherfüllungsanspruch nach Maßgabe des § 634a Absatz 2 BGB erst mit der Abnahme.
Entsprechend ist die Fälligkeit beim Bauvertrag mit dem vereinbarten Fertigstellungstermin, jedenfalls aber nach Ablauf einer angemessenen Fertigstellungsfrist, eingetreten (BGH NZ Bau 2001, 389).
Der Anspruch, gerichtet auf die Herstellung einer mangelfreien Sache, verjährt dem Grunde nach nicht früher als der nach Abnahme bestehende Nacherfüllungsanspruch.
Mit der Abnahme wandelt sich dieser Erfüllungsanspruch in den Nacherfüllungsanspruch des § 635 BGB um. Hierdurch tritt die Besonderheit ein, dass die Verjährung für diesen modifizierten Erfüllungsanspruch nach § 634a Absatz 2 BGB mit der Abnahme zulaufe beginnt.
Daraus folgt wiederum, dass eine Verjährung der Erfüllungsansprüche für Mängel des Werks nicht eintreten kann, solange das Werk nicht abgenommen ist.
Hinüber verbleibt es bei den Ansprüchen wegen nicht Erfüllung bei der regelmäßigen Verjährungsfrist.
Im vorliegenden Rechtsstreit verfolgte die Beklagte zwar ihren eigentlichen Erfüllungsanspruch nicht. Sie hatte nämlich in nicht verjährter Zeit hilfsweise die Aufrechnung mit einem Vorschussanspruch erklärt. Dieser Vorschussanspruch beruht wiederum auf der Herstellungsverpflichtung des Werkunternehmers.
Das Vorschussverlangen setzt nach Maßgabe der § 634 Nr. 2, 637 Absatz 3 BGB zwar keine Abnahme voraus. Ein Kostenvorschussanspruch könne aber auch als Schadensersatzanspruch, gerichtet auf Vorfinanzierung nach § 280 BGB, in Betracht kommen. Demnach kommt es letztlich auf die Abnahmefähigkeit des Werkes an. In dem konkreten Fall war die Abnahmefähigkeit seitens des Gerichts verneint worden, weil das Werk wesentliche Mängel aufgewiesen hat.
Im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit bezüglich von Mängelbeseitigungskosten wurde festgestellt, dass eine optische Beeinträchtigung grundsätzlich auch bei einer Errichtung eines Objektes für private Zwecke wesentlich sein kann (OLG Düsseldorf NJW-RR 1997 1178; NZ Bau 2015, 485) Die Verhältnismäßigkeit der Mängelbeseitigungskosten könne mithin auch, sofern nur optische Mängel vorhanden sind, zu bejahen sein. Wenn die tatsächlich erbrachten Leistungen zwar nicht den vertraglichen Vorgaben, aber doch den Regeln entspreche, sei dies der Fall.
Demgegenüber sei bei einem sogenannten Handlungszeichen „Luxusobjekt“ strengere Maßstäbe anzusetzen im Hinblick auf die Unverhältnismäßigkeit der Mangelbeiseitigungskosten.
Wichtiges Kriterium ist in diesem Zusammenhang, ob ein mögliches Planungsverschulden bzw. ein Mitverschulden des Bestellers in die gesamte Abwägung mit einfließen muss. Ob sich die Beklagte ein Planungsverschulden des Architekten zurechnen lassen müsse, konnte in diesem Falle dahinstehen. Denn der Unternehmer, der eine werkvertragliche Verpflichtung zur Ausführung von Leistung übernimmt, in Kenntnis dessen, dass die erforderliche Detailplanung fehle, könne er sich ohne einen entsprechenden Bedenkenhinweis nicht auf ein Mitverschulden des Bestellers berufen. Dies war in dem entschiedenen Fall das entscheidende Argument, um es auf ein Planungsverschulden des Architekten nicht ankommen zu lassen.
Sofern der Besteller die Minderung der Vergütung geltend macht, so führt dies grundsätzlich zu einer Anpassung des Vertrages.
Fraglich könnte allerdings sein, ob die Klägerin die ihrerseits Ihre Arbeiten schon einer Schlussabrechnung zugeführt hat, gleichwohl noch auf eine Abschlagsforderung umstellen könne. Diese rechtliche Fragestellung musste das entscheidende Gericht allerdings nicht entscheiden.
Nach Auffassung des OLG Hamm kann auch bei einem VOB-Vertrag nicht mehr davon ausgegangen werden, dass eine Abschlagszahlung auch bei wesentlichen Mängeln begehrt werden könne (Vgl. § 632a, I. 2 BGB aF).
Dem Grunde nach könne ein Werkunternehmer für eine mangelhafte Leistung keine Vergütung beanspruchen. Darüber hinaus stehe dem Auftragnehmer bei wesentlichen Mängeln ein Zurückbehaltungsrecht zu.
Rechtsfolgen und Konsequenzen aus diesem Urteil
Die Entscheidungsgründe, die im Detail die bisherige Rechtssachlage zusammenfasst, sind sehr detailliert und überzeugend.
Insbesondere ist im Rahmen der praktischen Rechtsanwendung ein besonderes Augenmerk darauf zu richten, dass zur Verjährung des Erfüllungsanspruchs vorgetragen wird.
Soweit ist zusammenfassend festzustellen, dass der Senat mit diesem Urteil am 30.04 2019 eine sehr wichtige, führende und vorausschauende zu den Voraussetzungen und rechtsfolgende Abnahme nach altem und nach neuem Recht erlassen hat.
Insoweit kann, wie in den Eingangsbemerkungen festgestellt, dieser lesenswerten Entscheidung grundsätzliches für den Umgang mit der Abnahme abgeleitet werden.
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