(Stuttgart) Für viele Familien im Land sind Verdienstausfälle derzeit eine existenzielle Sorge. Insbesondere Eltern mit kleinen Kindern sind aufgrund von Schul- und Kitaschließungen vor besondere Herausforderungen gestellt.
Am 27. März 2020 ist dazu ein „SozialschutzGesetz“ beschlossen worden, das auch Regelungen enthält, um Verdienstausfälle bei Eltern abzumildern.
Die Eckpunkte erklärt der Kölner Fachanwalt für Arbeitsrecht Volker Görzel, Leiter des Fachausschusses „Betriebsverfassungsrecht und Mitbestimmung“ des VDAA – Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart.
1. Wer kann die Entschädigung beantragen?
Die Regelung sieht vor, dass erwerbstätige Eltern, die aufgrund der geschlossenen Betreuungseinrichtungen und Schulen einen Verdienstausfall erleiden, einen Anspruch auf die Unterstützung haben können, soweit keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit haben. Zudem besteht ein Recht auf Entschädigung nur, wenn das zu betreuende Kind jünger als zwölf Jahre ist. Gibt es mehrere Kinder, wird auf das Alter des jüngsten Kindes abzustellen sein.
2. Welcher Betrag wird gezahlt, ab wann und wie lange?
Die Höhe der Entschädigung beträgt 67 Prozent des Netto-Verdienstausfalls. Nach oben hin ist die Zahlung aber auf 2.016 € begrenzt. Die Entschädigungen sind derzeit auf einen Zeitraum von 6 Wochen angedacht. Die Regelung soll ab dem 30. März 2020 gelten und bleibt bis zum 31. Dezember 2020 in Kraft.
3. Das Recht auf Entschädigung sollen nur diejenigen erhalten, die keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit haben. Was ist damit gemeint?
Wer eine andere zumutbare Betreuungsmöglichkeit hat, ist von der Entschädigungszahlung ausgeschlossen.
Dazu zählen:
• Personen, die eine sogenannte Notbetreuung in der Kindertagesstätte oder der Schule in Anspruch nehmen können
• Familien in denen das andere Elternteil oder Verwandte die Betreuung sicherstellen können.
• Auch eine Versetzung ins Homeoffice ist eine zumutbare Betreuungsoption
• Zudem haben Eltern, die in Kurzarbeit sind, kein Recht auf Entschädigung, in dem Umfang, in dem sie ihre Arbeitszeit reduziert haben
Gegenüber dem Arbeitgeber und der Behörde müssen Arbeitnehmer belegen, dass sie keine Möglichkeit haben, für die Betreuung auf Familienmitglieder oder Freunde zurückzugreifen. Personen, die den Risikogruppen angehören – also etwa Großeltern – sind hierbei natürlich ausgenommen.
4. Gibt es weitere Vorgaben, die ich beachten muss?
Ja. Denn das Recht auf Entschädigung soll erst dann greifen, wenn Arbeitnehmer die anderweitigen Möglichkeiten der Freistellung „gegen Zahlung einer dem Entgelt entsprechenden Geldleistung“ voll ausgeschöpft haben. Dies bezieht sich auf den Abbau von Überstunden und zustehenden Erholungsurlaub.
5. Bedeutet dies nun, dass ich meinen gesamten Jahresurlaub aufbrauchen muss, bevor ich einen Anspruch auf die Entschädigungszahlung habe?
Jein. Lange kursierte das Gerücht, Arbeitnehmer müssten ihren Erholungsurlaub einsetzen, bevor sie die neue Verdienstausfallentschädigung nach Infektionsschutzgesetz geltend machen könnten. Dies erscheint problematisch: denn der Jahresurlaub dient der Erholung und ist nicht als Notfall-Instrument gedacht.
In einem offiziellen Schreiben erläutert des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales:
Die Pflicht, den Erholungsurlaub zu verbrauchen, beschränkt sich auf den Urlaub aus dem Vorjahr sowie den bereits vorab verplanten Urlaub, der sowieso während des Zeitraums der Kita- der Schulschließung genommen werden sollte. Arbeitnehmer können dagegen nicht verpflichtet werden, ihren gesamten Jahresurlaub für das laufende Kalenderjahr in Anspruch zu nehmen, bevor sie den Entschädigungsanspruch geltend machen können.
6. Haben auch Selbständige einen Anspruch auf Entschädigung?
Da das Gesetz von „erwerbstätigen Sorgeberechtigten“ spricht, besteht der Anspruch auch grundsätzlich für Selbstständige.
7. Wie beantrage ich die Entschädigungszahlung?
Erste Anlaufstelle für Antragssteller sind die Behörden der Länder, an diese sind die Anträge zu richten. Jedoch erflogt die Auszahlung der Entschädigung, ähnlich wie beim Kurzarbeitergeld, über den Arbeitgeber, der die Beträge wiederum von der zuständigen Behörde erstattet bekommt. Deshalb sollten Arbeitnehmer die Beantragung mit ihrem Arbeitgeber besprechen.
8. Was gilt während der bevorstehenden Osterferien?
Soweit eine Schließung ohnehin während der durch Landesrecht festgelegten Schulferien erfolgt wäre, entfällt das Recht auf Entschädigung für diese Zeit.
– Informationen für Arbeitgeber
Die Auszahlung des Entschädigungsanspruchs übernimmt der Arbeitgeber, der bei der vom jeweiligen Bundesland bestimmten zuständigen Behörde einen Erstattungsantrag stellen kann. Es besteht die Möglichkeit, einen Vorschuss bei der Behörde zu beantragen. Die Regelung gilt nicht für Zeiten, in denen die Einrichtung wegen der Schulferien ohnehin geschlossen wäre, und ist befristet bis Ende des Jahres 2020.
Görzel empfahl, dies zu beachten und in Zweifelsfällen rechtlichen Rat einzuholen, wobei er u. a. dazu auch auf den VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. – www.vdaa.de – verwies.
Für Rückfragen steht Ihnen zur Verfügung:
Volker Görzel
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht
HMS. Barthelmeß Görzel Rechtsanwälte
Hohenstaufenring 57 a
50674 Köln
Telefon: 0221/ 29 21 92 0
Telefax: 0221/ 29 21 92 25
goerzel@hms-bg.de
www.hms-bg.de